Die Gottesfrage

Katechesen (1981) von S.E. Dr. Günther Storck

Teil 9

Ich will das jetzt, alles, was ich zu sagen suchte, noch in einem weiteren Rahmen einfügen, damit Sie eine Orientierungsmöglichkeit haben! Ich habe schon einmal angedeutet, für die meisten Menschen ist diese Wirklichkeit, in der wir leben, eine rein durch die Sachen, die wir feststellen, bestimmte Wirklichkeit. Da ist die Materie, vielleicht gibt es noch das organische Leben, aber Geist und Wille und vor allem die Werte kennen solche Menschen nicht! Und die höhere Wirklichkeit ist gerade nicht die tote Wirklichkeit der Sachen und der Dinge, sondern die Wirklichkeit, in der es diese Werte gibt. In der es also Realitäten gibt, die nicht tot sind, sondern die einen bestimmten Inhalt haben, mit dem und in dem sie an den Menschen und seinen Willen, seine Freiheit herantreten, und mit dem sie an die Freiheit des Menschen appellieren! Das kennen Sie alle, nicht wahr: Man soll etwa einen Beruf erlernen. Dann fragt man, soll ich diesen Weg gehen oder einen anderen. Und mit dieser Berufswahl verbunden ist immer ein ganz bestimmtes Interesse, das ich mit einem Beruf habe. Wer zum Beispiel in echter Weise am Arztberuf interessiert ist, der will dem Menschen helfen. Das Motiv der Barmherzigkeit etwa spielt hier eine Rolle. Oder wenn jemand Rechtsanwalt werden will - er möchte dazu beitragen, dass die Menschen nach dem Wert der Gerechtigkeit ihr Leben einrichten. Das ist dann natürlich ganz besonders wertvoll, wenn ein Mensch davon sich leiten lässt, von einem solchen Gesichtspunkt! Nicht - man kann es natürlich auch anders betrachten, was heute leider die Regel sein dürfte -, dass man sagt, welcher Beruf hat das größte Ansehen in der Öffentlichkeit. Hier spielt dann nicht der sittliche Wert eine Rolle - sagen wir: der Wert der Gerechtigkeit oder der Wert der Barmherzigkeit -, sondern hier spielt - sagen wir einmal: der Karriere - mit, vielleicht sogar das Geld. Oder es ist der Gesichtspunkt der Ehre, den man mit einem bestimmten Beruf im Auge hat, oder auch andere weniger wertvolle Motive. Ich kann auch daran denken, dass ich möglichst viel Freizeit habe, oder was immer hier an Möglichkeiten besteht.

Hinter solchen Entscheidungen, die ich treffe, sagen wir einmal: der Berufswahl, steht ein ganz bestimmter Wert. Oft bekomme ich den gar nicht ausdrücklich ins Blickfeld, aber trotzdem, meine Entscheidung, die ich treffe für einen bestimmten Beruf, ist bestimmt durch den Wert, den ich in einem bestimmten Beruf eben verwirklichen kann oder den ich sehe und erstrebe. Genauso bei anderen Entscheidungen. Wenn ich zum Beispiel mir überlege, mit welchem Menschen ich mich verbinden kann in einer Freundschaft oder Kameradschaft, in einer Zweckgemeinschaft oder in einem Verhältnis echter Liebe, dann ist diese Betrachtung eines anderen Menschen immer bestimmt von bestimmten Erwartungen, von bestimmten Interessen und von bestimmten Werten, mit denen ich eine Beziehung sehe und die ich in der Beziehung eben verwirklichen möchte. Sie sehen vielleicht die ganz wesentliche Bedeutung dieser Werte, die oft genug gar nicht erkannt werden, die oft genug nur schwach erkannt werden, die aber, wenn man es einmal erkennt, dass das die viel bedeutendere Realität ist gegenüber dem bloß toten Sein der Dinge, dann erkennt man die überragende Bedeutung dieser Werte und ihrer Welt und ihrer Inhalte, als dessen, was ich will, welche Entscheidungen ich gerade für mich auch realisieren kann.

Es bestehen unter den Werten aber auch ganz bestimmte, nicht durch die Freiheit und nicht durch meine Willkür bestimmte Beziehungen. Es gibt Werte, die eine bestimmte Über- und Unterordnung haben, es gibt Werte, die weniger groß, weniger hoch, weniger erhaben sind, es gibt Werte, die höher stehen als andere, und es gibt unter diesen Werten, wenn man sie vergleicht, eben auch den höchsten Wert! Den Wert, der der größte von allen ist!

Und hier wiederum gilt: (Ich muss das ausdrücklich noch einmal betonen, weil hier heute schon lange ganz verkehrte Anschauungen bestehen, so als wenn die Werte ihren Rang bekämen durch meine Willkür, durch die Willkür des Menschen, das ist natürlich völlig falsch!) - Die Werte haben unter sich, rein in sich schon eine verschiedene Ordnung, eine verschiedene Höhe, einen verschiedenen Rang!

Aber die Freiheit muss sich natürlich läutern. Der Mensch muss ein Interesse haben - hier sehen wir die große Bedeutung des ersten Gebotes! - er muss natürlich ein Interesse haben, die Wahrheit zu erkennen und festzustellen, er muss sich völlig befreien von eigenen Maßstäben, von eigenen Beurteilungsmotiven, Beurteilungsbeimischungen, wenn man so sagen will, er muss sich befreien von seinem Eigenwillen, um die Wahrheit an sich und die Werte unter dem Gesichtspunkt ihrer höheren oder niederen Einschätzung oder Einstufung beurteilen zu können!

Der sittliche Wert, das Gute oder Gott ist eben der höchste von allen Werten! Und deshalb ist die moralische Einstellung, ist das moralische Verhalten das Allerwichtigste im menschlichen Leben! Wenn man nur einmal dafür einen Blick bekommt, wenn man nur einmal die Bedeutung des sittlich Guten, des Religiösen, Gottes, in seinem Leben erfährt! Und ich darf hier noch einmal darauf hinweisen: Sie sehen wie wichtig es ist, dass Menschen, etwa Jugendlichen oder Kindern dieser Wert, nämlich Gott, dieser absolute Wert, das heißt, die sittliche Liebe oder das Gute, erschlossen wird!

Kinder müssen das in der Erziehung erfahren. Durch die Liebe der Eltern müssen sie Gott erfahren, und dann können sie auch durch die Liebe der Eltern, durch die Erziehung, durch die Bildung zur Religion, zum Glauben geführt werden, dann können sie zur Beziehung zu Gott geführt werden und können darin die Beziehung zu Gott gewinnen und dann eben entsprechend auch religiös leben.

(Fortsetzung folgt)


 

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