Caritas Pirkheimer (1467-1532)
 

Äbtissin des St. Klara Klosters in Nürnberg

Gott läßt es nicht zu, daß das Licht der Wahrheit völlig verdunkelt wird. Auch groß angelegte Propagandaveranstaltungen versagen in ihrer Wirkung dort, wo es Menschen gibt, die mehr nach dem Willen Gottes handeln und urteilen als bloß nach dem Begehren der Masse. Lüge und Halbheit haben hier keine Chance.

Als sich die Stadt Nürnberg im 16. Jahrhundert von der katholischen Kirche abwandte und die neuen Lehren der Reformation annahm, da rückt plötzlich das Kloster St. Klara in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, allen voran die Äbtissin Caritas Pirckheimer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bürgern, auch Ordensleuten und Geistlichen, wollten sich die Schwestern von St. Klara nicht einfach die heilige Messe, die Sakramente, ja die Verbindung mit der katholischen Kirche aller Zeiten nehmen lassen und bekannten sich heldenmütig und unbeirrbar zum Glauben der Kirche. Trotz menschlichen Versagens auch in den Reihen der Kirche erkannten sie, wie wichtig es ist, die Treue zu Christus nicht zu verletzen, selbst wenn jemand mit scheinbar wohlmeinenden Argumenten dafür werben sollte. Viele setzten sich damals voller Eifer für eine "Erneuerung" des Glaubens ein. Wie radikal aber die neue "reformatorische" Glaubensrichtung, die häufig im Zusammenhang mit recht weltlichen Interessen gefördert wurde, wesentliche Elemente der Nachfolge Christi bekämpfte, sahen viele gebildeten Leute anfangs noch nicht klar, wie auch Willibald Pirckheimer, der Bruder der Äbtissin.

Caritas, eine tieffromme, von echt christlichem Geist beseelte und selbst hochgebildete Frau, stand im Briefwechsel mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten ihrer Zeit. Albrecht Dürer, ein Freund von Willibald Pirckheimer, widmete ihr 1511 noch die 20 Holzschnitte seines "Marienlebens". Diese ihre Verbindungen zur "Welt" hätten sie leicht zu einem "vernünftigen" Handeln im Sinne einer falsch verstandenen Anpassung an den Zeitgeist bestimmen können. Da sie jedoch die Treue zu Christus und zur Wahrheit ernster als alles andere nahm, unterwarf sie sich lieber dem bitteren Los der Verfolgung und Verleumdung, als diese Treue zu brechen.

Daß ein ganzes Kloster den Widerstand gegen die neu eingeführte Lehre und Praxis wagte, war den Verantwortlichen ein großer Dorn im Auge. Besonders die Äbtissin stand ihnen im Wege. Sie vermochten wenig gegen ihre klare Art und gegen ihre im christlichen Glauben verankerte und nicht nur auf menschliche Bildung sich gründende Weisheit. Bildung verleitete Caritas nicht dazu, Beifallskundgebungen der Welt zu suchen, noch dazu, aus Furcht, als "rückständig" eingestuft zu werden, sich still am Unrecht zu beteiligen. Entscheidend für ihr Handeln war allein der heilige Wille Gottes.

Sie selbst bittet die Gelehrten, "... die weltliche Philosophie zwar nicht aufzugeben, sie aber höher zu entwickeln, das heißt, von den Schriften der Heiden zu den heiligen Büchern, von dem Irdischen zu dem Himmlischen. Ihr möget solches nicht auf morgen verschieben. Denn Ihr wißt nicht, ob Ihr ein Morgen habt."

Zunächst sollten die Schwestern durch Predigten für die neue Lehre gewonnen werden. Gammersbach: "Nicht weniger als 110 Predigten der 'neuen Lehre' mußten die Schwestern über sich ergehen lassen." Doch ohne Erfolg. Obwohl verschiedene und anerkannte, "reform"begeisterte Prediger zum Einsatz kamen, die Schwestern blieben treu. Der Klugheit und Geradlinigkeit wie auch der Bildung ihrer Oberin konnten die "Theologen" nichts entgegenstellen. So sollten andere Mittel zum Einsatz kommen. Weil die Schwestern nicht dazu überredet werden konnten, die neue Lehre anzunehmen oder wenigstens das Kloster zu verlassen, und weil auch andere Mittel versagten, das Kloster aufzuheben, verbot 1525 der Rat der Stadt den Klarissen die Aufnahme von Novizinnen. Damit war das Kloster zum Aussterben verurteilt. Trotzdem blieben die Schwestern unerschütterlich. Bis zum Tod der letzten Schwester im Jahr 1590 dauerte ihr Widerstand!

Und das alles trotz größter Not. Die Schwestern hatten nichts, wovon sie leben konnten, sie litten Hunger. Sie hatten keine Beichtmöglichkeit, keine Meßfeier, keine Gelegenheit zum Kommunionempfang. Nur einem Franziskaner aus Bamberg gelang es hin und wieder, als Bürger verkleidet, die Schwestern zu besuchen und die Sakramente zu spenden. Vor Fronleichnam 1525 wurden drei junge Schwestern mit Gewalt von ihren Müttern aus dem Kloster gezerrt, weil sie nicht selbst ihre Ordensgelübde aufgeben wollten. Im Namen der "Freiheit" wollte man die Schwestern immer wieder zu einer Lebensform zwingen, welche andere für sie bestimmten und welche ihrem eigenen klaren Entschluß und Gelübde Gott gegenüber widersprach. Auch Melanchton, der mit seiner "weicheren" Haltung die Schwestern für den neuen Glauben öffnen sollte, konnte nichts erreichen. Caritas Pirckheimer formulierte klar und deutlich, was auch für die anderen Schwestern das Fundament ihrer Treue blieb: "Ich habe keine Gewalt aufzulösen, was Gott gelobt ist."

39 Einzelanhörungen mußten die Schwestern durch den Stadtrat über sich ergehen lassen, Schmähschriften wurden gegen die Schwestern geschrieben. Die größte Not für die Schwestern aber war es, ohne die Sakramente Jesu Christi leben und sterben zu müssen. So schreibt Caritas nach drei Jahren ohne den Trost der Sakramente in einem erschütternden Brief: ,Das ist ein Elend, besonders in Todesnot, daß wir sterben müssen wie das Vieh.'

Die Schwestern ließen sich aber ihren Mut und ihr Gottvertrauen nicht nehmen. Mitten in aller Not schenkte Caritas, anläßlich der Feier des Goldenen Ordensjubiläums und ihres Silbernen Äbtissinnenjubiläums, jeder ihrer Mitschwestern einen Ring, wofür sie jahrelang Pfennigstücke gesammelt hatte, als Zeichen der unverbrüchlichen Treue Jesus Christus gegenüber. Schwester Katharina, Tochter des Bruders von Caritas Pirckheimer, berichtete an ihren Vater: "Danach setzte man die Mutter vor den Altar. ... da empfing die Mutter eine jede mit Umarmung und Kuß, und wir vereinten uns alle aufs neue miteinander.

Und die Mutter hatte die Hände voller Ringe und gab einer jeglichen Schwester ein Ringlein an die Hand zum Zeichen einer neuen Vermählung mit dem Gesponsen, weil wir bisher in Treue zu Ihm gehalten ... was wir alle nicht uns zuschrieben, sondern der Gnade des Heiligen Geistes ..." Am 19. August 1532 ist Caritas Pirckheimer gestorben, 1959 wurde ihr Grab wieder gefunden. Zwar ist sie bis heute trotz verschiedener Bemühungen weder selig- noch heilig gesprochen worden. Ihr Leben war jedoch ein unerschütterliches und heldenhaftes Zeugnis für den wahren Glauben. Sie durfte mit Gottes Hilfe für ihre Zeit zu einem Spiegel wahrer Geistlichkeit und zu einem Vorbild wahrer Tugend werden.

Auch ihr Bruder kehrte um 1525 dem neuen Kirchenwesen den Rücken und wandte sich wieder der katholischen Kirche zu. Bedeutend war ebenfalls ihre Schwester Euphemia Pirckheimer, die wegen ihres Widerstandes gegen die Reformation als Äbtissin von Bergen 1544 abgesetzt wurde und mit 25 Schwestern nach Mariastein bei Eichstätt ziehen mußte. Sie starb am 15. November 1547, wenige Monate nach ihrer Wiedereinsetzung in Bergen.

Das Zeugnis für die Wahrheit erscheint nach außen hin oft vergeblich und wenig wirksam, und der Weg der Wahrheit bleibt immer steinig und mühevoll. Trotzdem zeigt sich in jedem Zeugen für den wahren Glauben der Widerschein des Glanzes Jesu Christi, des Gekreuzigten.

Caritas Pirckheimer unterscheidet sich in beeindruckender, wohltuender Weise von ihren Gegnern. Auch sie gaben vor, für die "Erneuerung" der Kirche und des Glaubens einzutreten. War aber wirklich Christus der Beweggrund ihres Handelns und Redens?

Die Täuschung hat dort keinen Platz, wo sich das Herz vorbehaltlos der Liebe Christi öffnet. Wo die Liebe und die Treue, auch im Opfer, gelebt werden, da lebt und wirkt Jesus Christus in Seiner Kirche weiter. Nur dort erscheint auch wahre Heiligkeit. 

Literatur: Caritas-P.-Quellensammlung, Landshut 1961ff.
Krabbel, G., Münster 1947
Kist, J., Bamberg 1948


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