Rachegott?“ Oder:
Die katholischen Anforderungen an das Hirtenamt


Aus einer Zuschrift:

„es ist ja immer noch der alte Rachegott.
was will der eigentlich, frage ich mich wie oft. Warum macht er so eine Welt, mit obendrein solchen jüdischen und katholischen Anforderungen? Will er ein Spielzeug, dass er quälen kann?“
N.N.

Wir verstehen gewisse Schwierigkeiten und bitten als Antwort Folgendes zu bedenken:

Gott will unseren Einsatz für die Wahrheit und die Liebe nicht deswegen, weil Er ein Rachegott wäre, sondern weil Wahrheit und Liebe uns erst das wahre Leben schenken, weil uns die Wahrheit frei macht (vgl. Joh. 8,31), wie Jesus betont.

Natürlich hat nicht jeder die gleichen Voraussetzungen, jeder von uns ist aber als Vernunftwesen zur Wahrheit und zur Liebe berufen und soll sie deshalb seinen Möglichkeiten entsprechend in seinem Leben auch zur Geltung bringen.

Auch die Diskussion um den rechtmäßigen Amtsbesitz, die uns heute bedrängt, die aber praktisch zu allen Zeiten der Kirchengeschichte notwendig und wichtig war, ist nicht durch die Annahme eines möglichen „Rachegottes" verursacht, sondern durch die menschliche Möglichkeit, den Willen Gottes zu verfälschen, und heute ganz konkret durch die Verfolgung des apostolischen Erbes der Kirche bei gleichzeitiger Begünstigung oder Förderung von Irrlehren oder Unmoral durch Amtsinhaber selber.

Die Rückbesinnung auf die notwendigen Voraussetzungen rechtmäßiger Amtsinhabe ist dabei ein Gebot der Liebe zu Christus und zu Seiner Kirche. Es geht somit nicht darum, jemanden schlechtzureden, sondern darum, diese Liebe zu Christus und zur katholischen Kirche wachzuhalten und die Kirche vor Verfälschungen des katholischen Glaubens und Kirchenbildes zu schützen.
Keine Angst! Jesus hält Seine Kirche fest in Seinen Händen! Doch menschliches Versagen und Unzulänglichkeiten sind deswegen keineswegs ausgeschlossen!

Es geht hier nicht um die protestantische Formel des „Gewissens allein" zur Ablehnung der kirchlichen Autorität, sondern um die ur-katholische Betonung des Gewissens als Hilfe im Konflikt zwischen den Anforderungen des Willens Gottes und den menschlichen Erwartungen, die schon die Apostel in den Worten zum Ausdruck brachten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!" (Apg. 5,29).

Die Unterscheidung zwischen einem Gewissens-Vorbehalt und einer endgültigen Klärung eines Problems durch die Kirche darf dabei selbstverständlich nicht verwischt werden, weil sie uns davor bewahrt, uns in Eigendünkel und Eigenregie als die alleingültigen, alles entscheidenden Richter und Lehrer der Kirche selbst zu sehen.

Die katholische Amtsauffassung ist klar: „Ein Papst, der einer notorischen, öffentlich verbreiteten Häresie und damit dem Schisma anheimfallen würde, würde damit ipso facto aufhören, Glied und Haupt der Kirche zu sein. Dass es bei den Wechselfällen der Geschichte auch in Zukunft zu Pseudo- od. Putativ-Päpsten kommen kann, ist durchaus möglich" (Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg i.Br. 1957 - 1968, Neuauflage 1986, Stichwort „Schisma", Bd. 9, Sp. 405ff.).

„Die Amtsvollmacht des rechtmäßig gewählten Papstes (Denzinger 652 664) wird durch persönliche Sündhaftigkeit nicht aufgehoben (Denzinger 588 637ff. 646-650) (wohl aber durch öffentl. Häresie oder Schisma von seiner Seite, da er nur als Glied der Kirche ihr Haupt sein kann)" (a.a.O., Stichwort „Papst", Bd. 8, Sp. 45).

„Papst ist natürlich nur der, der rechtmäßig gewählt ist (wobei die Rechtmäßigkeit der Wahl mit genügender Deutlichkeit ein öffentliches Faktum in der Kirche sein muß), der die Wahl angenommen hat, also nicht durch offenkundige Häresie oder Schisma sich von ihr trennt, und der handlungs- und zurechnungsfähig ist. Eine Feststellung des Vorhandenseins oder Fehlens dieser Voraussetzungen (vorausgesetzt, dass ihr Fehlen eine reale Möglichkeit ist, worüber keine Einhelligkeit in der Theologie herrscht) kann durch die Kirche (Kardinäle, Konzil usw.) getroffen werden, ohne dass dadurch eine rechtliche Superiorität einer anderen Instanz über den Papst gegeben ist ...

Die alte theol. Durchdenkung dieser Möglichkeiten kann entsprechend den Zeitverhältnissen durchaus reale Bedeutung haben und hat heute wieder begonnen" (a.a.O., Bd. 8, Sp. 47f.).

Verneint man die Rückbindung der Kirche - und damit des Amtes - an den Willen Gottes und Jesu Christi, so wird menschliche Autorität ideologisiert und an die Stelle Gottes gerückt. „Treue" oder „Gehorsam" werden nicht aus der Treue und dem Gehorsam Gott und der Wahrheit gegenüber begründet, die Anerkennung wird „blind" eingefordert, sie wird nicht mehr durch den sittlichen Anspruch der Liebe und der Wahrheit, sondern nur noch durch „Macht" legitimiert.

Eine solche Forderung widerspricht der sittlichen Bestimmung des Menschen, ist unmoralisch und führt auch in die Unmoral, wie wir in der Geschichte der Ideologien und Sekten schon so oft gesehen haben.

Auch im Protestantismus wurde mit der Leugnung der Möglichkeit wahrer Gotteskindschaft und damit wahrer Gotteserkenntnis auch ein neuer Typus von „Kirchenoberhaupt" geschaffen, der von den „Gläubigen" nicht mehr hinterfragt werden darf und letztlich nur noch mit politischer Macht begründet wurde.

Hier zeigt sich auch der Unterschied zwischen „Religion" - als (wahrer) Rückbindung an Gott - und einem bloßen Sektierertum.

Viele sogenannte „Sekten-Experten" und zahlreiche „moderne Theologen" verdunkeln raffiniert diese Kern-Problematik des Sektierertums, indem sie so tun, als sei der Anspruch auf absolute Wahrheit, nicht seine manipulative Verzerrung, das eigentlich Sektiererische. (Wäre das so, dann wären sie selbst auch Sektierer, da sie ja für ihre Aussagen auch absolute Wahrheit beanspruchen.)

In Wirklichkeit führen sie die Menschen durch diese ihre Aussagen weg von der wahren Suche nach Gott, versklaven sie an menschliche „Meinungen", verschweigen den Anspruch der sittlichen Vernunft, zwischen bloß behaupteter (dann natürlich unsittlicher) „Wahrheit" und der in der Liebe Gottes begründeten und damit sittlich vernünftig vollziehbaren Wahrheit zu unterscheiden, die aus der Güte Gottes kommt und den Menschen zur unmittelbaren Verantwortung der Wahrheit gegenüber ruft!

So manipulieren sie letztlich selbst die Wahrheit, führen in ein sektiererisches Verständnis von Amt und Religion und schaffen die Voraussetzung für ideologisierte Form von Religion!

Die Wahrheit Jesu hingegen ist von Anfang an ein Appell an die unmittelbare sittliche - und damit absolute - Erkenntnisfähigkeit des Menschen! Gerade deshalb ist sie nicht „sektiererisch", sie befreit vielmehr aus verkehrten „sektiererischen" Bindungen, weil sie frei macht für alles Wahre und Gute und das Herz des Menschen hinlenkt zu Gott und zum Mitmenschen.

Deshalb: Wenn man die genuin katholische Position verlässt und beispielsweise das Amt von der Rückbindung an Gottes Willen loslöst, schafft man sich mit der Bildung einer menschlichen Willkür-„kirche" letztlich auch das Bild eines Willkür-Gottes, zu dem es in letzter Konsequenz keine Beziehung sittlicher Vernunft und sittlicher Liebe mehr geben kann!

So macht auch ein „Haeretico-Papismus", nach dem ein Papst tun und lassen könnte, was er wollte, und er dennoch immer von allen Gläubigen als Papst anerkannt werden müsste, aus der Kirche Christi eine bloße „Guru-Religion" und aus dem Papstamt ein „Kirchenoberhaupt" nach protestantischem Vorbild, das sich nur durch rein menschlichen Machtbesitz legitimiert (wie etwa der König von England als „Oberhaupt" der anglikanischen Kirche)!

Konkret geht es bei den heutigen Problemen in der Kirche, wie gesagt, um die Ausgrenzung und Verfolgung der apostolischen Überlieferung und um die Begünstigung oder Verbreitung von Irrlehren durch “Amtsinhaber” selber.

Die nach katholischer Auffassung oben genannten Bedingungen für rechtmäßigen Amtsbesitz darf man in Gesprächen - „Verhandlungen" kann man über Wahrheit und Religion ja nicht führen - im Sinne der Liebe zur Wahrheit und zu Christus also nicht verschweigen oder einfach so tun, als seien dem Evangelium widersprechende Behauptungen für den Amtsbesitz unwesentlich.

Nur in der Liebe zur Wahrheit können sich heute, da die Kirche unsäglich darunter leidet, wie eine Herde ohne Hirte dazustehen, auch Herde und Hirte in wahrer Gemeinschaft der Liebe Christi wieder finden.

Bei einer Möglichkeit zum Missverständnis muss ein guter Hirte von sich auf Klärung und Erklärung des apostolischen Glaubens bedacht sein, soll die Herde ihn wirklich als wahren Stellvertreter Christi erkennen und anerkennen können. So kann die Herde nur denjenigen als wahren Hirten und Stellvertreter Christi erkennen und anerkennen, der ihr den apostolischen Glauben darlegt (Lehramt), die apostolischen Sakramente spendet und das apostolische Messopfer darbringt (Priesteramt) und die Herde im Sinn Christi leitet und schützt (Richteramt). Die wahre Herde Christi und ihre Glieder können den wahren Hirten nämlich nur an der Stimme Christi erkennen: „Einem Fremden hingegen folgen sie nicht. Sie fliehen vielmehr vor ihm, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen" (Joh. 10,5).


Thomas Ehrenberger


 

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