Wie ehrlich muss man als katholischer Christ sein?

Der Mensch ist ja ein soziales Wesen, das heißt, er lebt immer in einer wie auch immer beschaffenen Gemeinschaft mit anderen Menschen. In Ehe, Familie, Verwandtschaft, Gesellschaft, im Freundeskreis, bei der Berufsausübung oder einfach auf der Straße begegnen wir immer anderen Menschen und bauen mit ihnen Kommunikation auf. Und da bei uns in dieser Hinsicht nicht immer alles durchwegs harmonisch verläuft, weshalb sich darin auch Konfliktpotential birgt, entstehen immer wieder Fragen, die unseren Umgang miteinander betreffen. Man würde dann unter anderem auch gern wissen, ob man immer ehrlich zu unseren Mitmenschen sein müsse bzw. wie weit diese Ehrlichkeit vom Standpunkt der christlich-katholischen Morallehre zu gehen habe. Und da wir oft mit Fragen zum 8. Gebot Gottes konfrontiert werden, möchten wir nun hier in diesem Zusammenhang einige Prinzipien ansprechen bzw. praktische Fragen erörtern.
1) Nun, der erste Grundsatz ist immer, dass man nie direkt die Unwahrheit sagen darf! Wenn jemand genau weiß, dass das, was er sagt, eindeutig unwahr ist, versündigt er sich gegen die Wahrheit - da muss man wohl nicht lang drum-herum reden. Wenn sich aber jemand nicht sicher ist, ob der Inhalt dessen, was er sagt, dem wahren Sachverhalt entspricht oder nicht, möge er unbedingt eine solche Bemerkung hinzufügen, dass er es eben nicht (ganz) genau weiß bzw. sich dessen unsicher ist.
2) Gibt man etwas wieder, was man von einer dritten Person gehört hat, möge dies ebenfalls Erwähnung finden. Dabei frage man sich immer, ob denn jene Person, die die Informationsquelle darstellt, überhaupt glaubwürdig ist oder nicht. Hält man sie nach sachlicher Überlegung für glaubwürdig, dürfte die Weitergabe der Information erfolgen - in der Regel mit der Angabe der konkreten Quelle  oder wenigstens mit der ausdrücklichen Versicherung, dass die Quelle dieser Information einem als durchaus sicher erscheine. Hat man aber nicht unbegründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit jener Informationsquelle, überprüfe man nach Möglichkeit den Wahrheitsgehalt des Berichteten oder, falls dies aus welchem Grund auch immer nicht möglich sein sollte, übe man sich in dem betreffenden Fall ganz einfach an verbaler Zurückhaltung.
Man gehe somit generell extrem vorsichtig mit Gerüchten um! Es wird bisweilen gern unsachlich geschwatzt und geschimpft - manche Leute lieben und brauchen dies (zum Zweck der Selbstbestätigung?) anscheinend wie ihr täglich Brot. Wobei natürlich jeder immer ganz genau im Bild und ein Experte ist, auch wenn ihn die Sache entweder nichts angeht oder er genau so viel von ihr weiß wie ein Grundschulkind von der Kernspaltung.
Auch Vorsicht vor so genannten Alles-Besser-Wissern! Ja, es gibt leider Menschen, die (manchmal sogar von vornherein) alles so auffassen und interpretieren, wie sie es gern hätten und wie es ihnen in ihren Kram passt. Es wird da seitens der eigenen Person weder ehrlich um eine Gegendarstellung nachgesucht noch macht man sich die Mühe, den teilweise sogar offenkundigen Widersprüchen der eigenen Version ernsthaft auf den Grund zu gehen. Und wird man mit der wahren Sicht der Dinge konfrontiert, versucht man, trotzdem die Unzulänglichkeiten der eigenen Darstellung möglichst zu verschweigen und sich immer noch als ein sprichwörtlicher Retter der Menschheit oder der Kirche zu gebärden.
3) Darf man eine ausweichende oder auch zweideutige Antwort geben? Ja, sofern natürlich der, der fragt, dies auch so versteht. Selbstverständlich hat nicht jeder ein Recht darauf, alles zu wissen bzw. zu erfragen - einer gelegentlich vielleicht sogar krankhaft vorkommenden Neugierde unserer Mitmenschen müssen wir nicht unbedingt zu Diensten sein, sondern wären bisweilen sogar berechtigt, sie etwas zu bremsen! Allerdings ist unsererseits dabei auch darauf zu achten, dass wir mit unseren Antworten nicht bestimmte Anstandsgrenzen überschreiten, so dass sich dann die fragende Person zu Recht übertrieben hart behandelt und beleidigt fühlt.
Meint man also, dass der Fragende insofern seine Kompetenzen überschreitet, dass er nach etwas fragt, was ihn offenkundig kaum etwas oder überhaupt nichts angeht, darf man ihm unter Umständen auch eine Antwort geben, aus welcher dem Fragesteller nicht klar wird, was wir damit eigentlich meinen. Aber er muss eben erkennen, dass wir bewusst einer eindeutigen Antwort ausweichen bzw. diese so formulieren, dass sie für ihn zwei oder mehrere Interpretationsmöglichkeiten enthält.
Ein konkretes Beispiel: einmal fragte eine offensichtlich neugierige Person, kaum dass sie in einen Zug einstieg und sich im Zugabteil hinsetzte, auf eine etwas forsche Weise einen sich dort befindenden Priester, der wohl besonders ihre Aufmerksamkeit erregte, was er denn gerade lese (er hielt ein kirchengeschichtliches Buch in der Hand). Dieser sah (wohl berechtigterweise) nicht ein, dass er ihr darüber unbedingt Rechenschaft ablegen müsse, und gab zur Antwort ausweichend nur: “ein Buch”. Die Mitreisenden schienen die Situation richtig zu verstehen, zumal ein Herr kurz zustimmend schmunzelte.
Oder man gebe auf offenkundig neugierige oder kompetenzüberschreitende Fragen, ob denn etwa dies oder jenes so sei, wie die fragende Person es hörte, zur Antwort: “Vielleicht”, “womöglich”, “kann sein” oder ähnlich. Keinesfalls aber darf unsere Antwort, die wir aus unserer Sicht ausweichend oder zweideutig formulieren, so ausfallen, dass die fragende Person sie nur in einer einzigen und eben falschen Bedeutung versteht. Damit würden wir ja absichtlich eine etwaige (momentane oder andauernde) Begriffsstutzigkeit der fragenden Person ausnutzen, was nicht zulässig ist.
Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch zu vermerken, dass wir bei unseren Antworten sehr wohl von einem gesunden Fassungsvermögen bzw. von einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten unserer Mitmenschen ausgehen dürfen. Würde praktisch jeder mit einem halbwegs gesunden Verstand begabter Mensch unsere Antwort so verstehen, wie wir sie meinen, dann sind wir nicht dafür verantwortlich, wenn jemand da überdurchschnittliche Defizite besitzt bzw. sehr vieles eben missversteht.
Am häufigsten aber wird es sinnvoll sein, auf solche Fragen freundlich zu reagieren, dass man sie halt aus bestimmten Gründen entweder nicht beantworten möchte oder bisweilen aus Gründen der Vertraulichkeit oder des Taktes auch nicht beantworten dürfe.
4) Zu Übertreibungen  und Untertreibungen ist hier zu sagen, dass sie ja im Prinzip ebenfalls Wahrheitsverdrehungen darstellen und somit unmoralisch sind. Denn der Mensch will ja da entweder etwas verniedlichen oder entgegen der wahren Sachlage übertrieben positiv darstellen. Natürlich hängt auch hier die Schwere der Schuld vom Maß und Umfang der Über- bzw. Untertreibung ab.
 Zu dieser Kategorie der Versündigung gegen die Wahrheit ist wohl auch ein bestimmter Teil des Sensationsjournalismus ("Sensationsjournalismus" kursiv schreiben!) zu rechnen. Denn ihm geht es letztendlich doch nicht um die sachgerechte Aufarbeitung etwa eines historischen Themas, sondern eher darum, mit Hilfe von Schlagwörtern und Halbwahrheiten medienwirksame Schlagzeilen zu produzieren, um den Umsatz der eigenen Bücher, Zeitungen und Zeitschriften zu steigern!
5) Manchmal kann es geschehen, dass man ohne böse Absicht einem Irrtum in der Darstellung eines Sachverhalts unterliegt. Entweder hat man sich dabei selbst vertan (bekanntlich ist ja niemand perfekt!) oder sich auf eine Information dritter Personen (die man für glaubwürdig hielt) berufen, welche, wie es sich später herausstellt, aus welchem Grund auch immer objektiv falsch war. Nun, für einen solchen Irrtum können wir nicht zur moralischen Rechenschaft gezogen werden. Denn wir haben ja damit keine böse Intention verbunden - im Gegenteil, wir dachten ausdrücklich, die entsprechende Information entspräche der Wahrheit.
Aber wir haben dann dennoch die moralische Pflicht zur Richtigstellung, sofern und sobald uns der Irrtum erkennbar wird. Selbstverständlich soll man dabei nicht übertrieben-ängstlich reagieren, zumal wenn es sich um Kleinigkeiten in der (unbeabsichtigten) Abweichung unserer ursprünglichen Darstellung von der tatsächlichen Realität oder um belanglose Sachverhalte handelt (man meinte, man hätte vorhin zum Beispiel 2,5 Stunden lang für die sonntägliche Fahrt zur hl. Messe gebraucht, stellt dann aber auf der Rückfahrt fest, dass dies doch “nur” 2 Stunden und 25 Minuten seien). Aber sollte jene Abweichung nicht mehr bloß unbeträchtlich sein und vor allem der Sachverhalt selbst schwerwiegenderer Natur sein, so dass der betreffende Irrtum für irgend jemand ernsthaftere Folgen haben könnte, sind wir sogar ausdrücklich dazu verpflichtet, der falsch informierten Personen bei nächster guter Gelegenheit davon Mitteilung zu machen, dass man sich entweder selbst irrtümlicherweise vertan hat oder einem falschen Bericht dritter Personen zum Opfer gefallen ist.
6) Hat man jemand sein Wort gegeben, dies oder jenes so oder so zu machen, muss man es auch unbedingt halten! Außer man wird von der Person, der man das Wort gegeben hat, von diesem Versprechen ausdrücklich befreit, oder die Umstände ändern sich so wesentlich, dass eine völlig neue und eben andere Situation vorliegt, die mit der vorherigen nicht zu vergleichen ist. Aber verspricht jemand, eine bestimmte Angelegenheit in einer bestimmten Art und Weise zu handhaben und bekräftigt dies vielleicht auch noch durch die eigene Unterschrift (unter ein entsprechendes Dokument), begeht er einen sündhaften und nicht unbedeutenden Wortbruch.
7) Darf man eine so genannte Notlüge begehen? Nun, was bedeutet Notlüge überhaupt? In der Regel wohl, einer Verlegenheit oder Unbequemlichkeit auszuweichen, indem man nämlich durch eine Falschinformation vom wahren Sachverhalt ablenkt! Oder man glaubt, irgend einem Menschen oder der Gesellschaft einen Dienst erweisen oder ihm bzw. ihr von Nutzen sein zu wollen oder zu sollen, indem man die Unwahrheit sagt. Somit ist sie selbstverständlich eindeutig verwerflich und sündhaft. Denn keine menschliche Rücksicht berechtigt, etwas in sich Unsittliches zu tun!
Allerdings kann es hier extreme Situationen geben, die etwas differenzierter betrachtet werden müssen. Was soll man denn antworten, wenn man zum Beispiel in einem Land, in welchem heftige Kirchenverfolgung herrscht, von den stattlichen Sicherheitsbehörden gefragt wird, ob man denn bei sich zu Hause einen Priester verborgen hält, oder weiß, wo er sich verborgen hält? Man weiß, dass dann, wenn man solche Fragen wahrheitsgemäß mit „Ja“ beantwortet, der betreffende Priester verhaftet und womöglich gefoltert und umgebracht wird.
Nun, in einem etwas anderen Zusammenhang kennt die Kirche das Prinzip des Mundraubs: Wenn jemand am Verhungern ist, darf er bei jemand, der davon deutlich mehr hat, Lebensmittel stehlen, aber natürlich nur so viel wie er braucht, um zu überleben. Somit gestattet die Kirche den formalen Diebstahl, aber ausschließlich in einer Extremsituation, in welcher es um das Leben oder die Existenz eines Menschen (oder seiner Schutzbefohlenen) geht.
Diesen Grundsatz auf den Fall des verfolgten Priesters übertragend muss man wohl schlussfolgern, dass es anscheinend kein sittliches Vergehen wäre, wenn man die obigen Fragen der nach dem Priester suchenden Polizisten mit „Nein“ beantworten würde. Denn hier steht ja ebenfalls das Leben und die Existenz eines Menschen direkt auf dem Spiel! Interessanterweise hat die katholische Kirche während des 2. Weltkrieges in Rom und Italien für Nichtchristen Taufscheine ausgestellt, obwohl diese überhaupt nicht getauft waren. Auf diese Weise wollte sie verhindern, dass diese Menschen verhaftet und umgebracht würden.
Oder man versuche in solchen Extremsituationen, eine Antwort zu finden, die zwar in sich keine Unwahrheit enthält, den Verfolgern aber dennoch nicht von Nutzen sein wird. So fragten einmal die Verfolger des hl. Kirchenlehrers Athanasius, der vor ihnen auf der Flucht war und sich verkleidet auf dem Nil auf einem Boot befand, ob er, den sie nicht erkannten, denn nicht Athanasius gesehen hätte. „‚Freilich‘, gab der Patriarch zur Antwort, ‚wir haben ihn gesehen!‘ ‚Ist er noch weit?‘ ‚Nein, ganz in der Nähe‘, erwiderte der Gebannte wahrheitsgemäß. ‚Rudert nur tüchtig zu!‘“ (Hünermann, W., Der endlose Chor. Herder 1949, S. 237)
8) Darf man beim Scherzen übertreiben oder Sachverhalte zur Sprache bringen, die so natürlich nicht stimmen? Ja, sofern natürlich die Gesprächsteilnehmer unschwer erkennen können, dass man den Inhalt des Berichteten nicht wirklich ernst nimmt, sondern dies scherzhaft oder ironisch meint. Denn bei dieser harmlosen Unterhaltungsform will ja niemand die Unwahrheit verbreiten. Und ein gesunder Humor ist ja auch eine Gabe Gottes.
Allerdings muss man auch hier jemand, der nicht genug Humor besitzt oder nicht erkennt, dass momentan gescherzt wird, über die Art der betreffenden Unterhaltung aufklären, sollte man merken, dass er alles ernst nimmt. In jedem Fall sollte man sich unbedingt davor hüten, etwaige Gotteslästerungen, Unanständigkeiten oder bewusste Beleidigungen, zum Beispiel nach der Art einer absichtlichen schweren Provokation, in Anekdotenform (weiter) zu erzählen. Der Scherz soll gesund sein und unser Gemüt erheitern - nicht unmoralisch, indem er uns etwa zu einer Versuchung zum Sündigen wird oder das Heilige verspottet!
9) Grundsätzlich sollen wir in diesem gesamten Zusammenhang nicht ausschließlich danach streben, die Lüge zu vermeiden, sondern unser Bemühen darauf ausrichten, ein ganzheitliches Bekenntnis der Wahrheit bzw. zur Wahrheit abzulegen! Und dies beinhaltet, dass man auch bewusst die Wahrheit sucht und nach ihr fragt! Sollte also einem Menschen wie auch immer bewusst werden, dass er noch nicht alle Informationen besitzt, die es zu irgend einem bestimmten Fall gibt oder die er eben braucht, um sich darüber sachgerecht eine Meinung zu bilden, muss sich der Betreffende auch bemühen, in dem Umfang seine Informationsmangel zu beseitigen bzw. seinen Wissensstand zu erhöhen, wie es für ihn in seiner konkreten Lebenslage und in der betreffenden Situation möglich ist.
Also frage er in Angelegenheiten, die wichtig sind bzw. ihn überhaupt etwas angehen, bei jenen Personen nach, die sich darin entweder selbst bereits besser auskennen oder leichter einen Zugang zu Informationen haben könnten, die notwendig sind. Oder man studiere entsprechende Literatur oder befrage Menschen, die sich als Zeugen qualifizieren. Denn der folgende grob-fahrlässige Umgang mit der Wahrheit würde ebenfalls eine klare Versündigung gegen die Wahrheit darstellen, wenn jemand zum Beispiel aus falscher Bequemlichkeit oder aus Angst, dass jemand ihn des Besseren belehren könnte und er dann seine unzulängliche Meinung revidieren müsste, jene Person eben absichtlich nicht um Auskunft fragt, obwohl ihm selbst bewusst ist, dass sein bisheriger Wissensstand gewisse bzw. sogar gehörige Lücken aufweist!
Man stelle sich in diesem Zusammenhang immer zunächst einmal die grundsätzliche Frage, ob man denn überhaupt genug weiß, um in irgend einer Angelegenheit mitreden und vor anderen seinen Senf dazu geben zu können. Denn die in christlicher Demut und persönlicher Bescheidenheit gewonnene Erkenntnis, dass man in irgend einem Fall nicht genug weiß bzw. nicht ausreichend informiert ist, um sich darüber eine Meinung zu bilden bzw. öffentlich zum Besten zu geben, ziert immer einen Menschen. Dann sollte man auch seine eigenen Wissensgrenzen insofern anerkennen, dass man sich gelegentlich lieber in verbaler Zurückhaltung übt und eben schweigt, statt halbe Wahrheiten und somit falsche Gerüchte in Umgang zu setzen und auf diese Weise vielleicht auch den (guten) Ruf so mancher Leute zu beschädigen.
10) Eindeutig unmoralisch ist auch, wenn man sich so verstellt, als ob man die Wahrheit nicht kennen würde, und daraus dann auch noch einen Nachteil für einen Menschen bezweckt oder mutwillig in Kauf nimmt! Wenn man zum Beispiel ganz genau weiß, dass einem anderen Menschen völlig zurecht etwas für irgend eine erbrachte Leistung zusteht (Lohn, Entgeld, Anerkennung), ihm aber dies letztendlich nur deswegen nicht zugestehen möchte, weil er diesen Anspruch nicht vor dem weltlichen Gericht formal-juristisch durchfechten kann oder möchte, dann verletzt man ebenfalls die Wahrheit. Denn man würde hier entweder die Gutherzigkeit, den Anstand und die Hilfsbereitschaft oder die Notsituation jener Person brutal ausnutzen, die zwar in bester christlicher Einstellung gehandelt, aber nicht oder nicht rechtzeitig an bestimmte Formalitäten gedacht hat.
11) Ebenfalls mit der christlichen Morallehre völlig unvereinbar wäre der Fall, in welchem jemand absichtlich bzw. aus purem taktischen Kalkül entweder übertrieben hohe oder eindeutig unzulässige Forderungen an seine Mitmenschen stellt in der Hoffnung, dass diese nur einen Bruchteil dessen ausführen, was man von ihnen verlangt, ...und wenn er sich dann damit vielleicht schon zufrieden geben würde! Denn Gott und die Wahrheit sind nicht dazu da, dass man mit ihnen frei herum jongliert, und die Mitmenschen sind kein Ball, mit welchem man beliebig herumspielen darf!
12) Eine besonders schwere Form der Lüge stellt die Heuchelei dar. Sie liegt vor, wenn jemand zum Beispiel einer anderen Person schmeichelt oder in ihrer Gegenwart höchst positiv über sie spricht, tatsächlich aber in derselben Angelegenheit sehr negativ über sie denkt. Hier wird wiederum so getan als ob, zumal erschwerend hinzu kommt, dass man sich wegen der falschen Lobesbekundungen von jener Person einen gewissen Vorteil oder sogar nennenswerten Profit welcher Art auch immer verspricht. So ist es extrem abstoßend, wenn jemand (wie es schon tatsächlich einmal vorkam) vor anderen eine ganz bestimmte Person in höchsten Tönen lobt und sie sogar als eine der führendsten Persönlichkeit des heutigen katholisch-antimodernistischen Widerstandes tituliert, sich aber nur ein-zwei Tage zuvor einem Priester gegenüber aus eigenem Antrieb und mit großem Kummer äußerst negativ und südländisch emotional geladen über dieselbe Person ausspricht!
Dasselbe grobe Fehlverhalten liegt vor, wenn jemand beobachtet, wie eine Person ungerecht behandelt bzw. diffamiert wird, dem Übeltäter aber nicht nur nicht so (klar und unmissverständlich) seine Empörung zum Ausdruck bringt, wie man es zuvor dem Opfer gegenüber getan hat, sondern danach entweder so tut, als wäre nichts Nennenswertes vorgefallen (und somit praktisch zur Tagesordnung übergeht), oder auf welche Weise auch immer sogar direkt von der betreffenden ungerechten Tat profitiert.
Selbstverständlich muss man nicht bei jeder kleinen oder nicht so bedeutenden Ungerechtigkeit, die man beobachtet, groß Lärm machen - so manche Ungerechtigkeit kann man wegen der Sündhaftigkeit dieser Welt bisweilen nicht anders als hinnehmen bzw. geschehen lassen. Aber schweigen und zugleich einen direkten eigenen Vorteil daraus entstehen lassen, wenn dabei in einer sehr wichtigen Angelegenheit elementare christliche Prinzipien praktisch brutal mit Füßen getreten werden (und davon dann natürlich auch das ewige Heil des Delinquenten abhängt), kann nicht im Entferntesten in Einklang mit der katholischen Morallehre gebracht werden!
Oder wäre es christlich, wenn man jemand für einen ganz schlechten Katholiken und praktisch sogar für einen Feind der Kirche hält (und in seinem Freundes- und Bekanntenkreis sogar sehr aggressiv darüber spricht), der betreffenden Person selbst gegenüber aber entweder nichts dergleichen sagt oder wesentlich zurückhaltender mit seiner Kritik ist, weil man sich von ihr entweder finanzielle Zuwendungen oder schriftlich-verbal viel Lob erhofft?
13) Abschließend und gewissermaßen zusammenfassend wollen wir uns dann hier noch daran erinnern, dass die Ehrlichkeit vor Gott und seinem eigenen Gewissen gegenüber mit der Frage nach der Ehre zu tun hat, die man in seinem Leben entweder hat oder eben leider vermissen lässt. Ist man ein ehrlicher Mensch (bzw. kann man zu Recht als ein solcher bezeichnet werden), kann man sowohl selbst Ehre besitzen als auch vor allem Gott die Ehre geben! Ein Lügner dagegen baut sich gewissermaßen eine Scheinwelt auf und lebt praktisch in einer künstlichen Fata Morgana. Ob das wirklich erstrebenswert ist?!? Da belügt man doch nicht nur Gott und die Mitmenschen, sondern letzten Endes auch sich selbst! Und wie “hundselend” fühlt sich dann unser Gewissen, sofern es von uns nicht mit Gewalt erstickt wird? Nein, lieber schon die bittere Wahrheit als eine noch so süße Lüge!
“Wer einmal lügt, dem traut man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht!” Wenn wir nicht wollen, dass diese Volksweisheit auf uns angewendet wird, bemühen wir uns nachhaltig um die Wahrheit in unserem Denken, Reden und Handeln. Sollten wir die Wahrheit nicht (hinreichend) kennen, suchen wir sie und jagen ihr nach. Und sollten wir gelegentlich Verfehlungen auf dem Gebiet des 8. Gebotes Gottes zugelassen haben, besinnen wir uns auf den wahren Sachverhalt, korrigieren wir unsere Fehler, leisten wir Abbitte und erbringen bei Bedarf auch Wiedergutmachung des angerichteten Schadens. Dann werden wir wieder in die Lage versetzt, das Vertrauen unserer Mitmenschen zu gewinnen und dem Herrgott ehrlichen Herzens die Ihm gebührende Ehre zu geben!

P. Eugen Rissling

 

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