Die christliche Buße


Die katholische Kirche kennt seit ungefähr der Mitte des 19. Jahrhunderts einige Marienerscheinungen, die von ihr nach intensiver Prüfungsphase als echt anerkannt worden sind. Grundsätzlich muss man äußerst vorsichtig sein mit Erscheinungen und Offenbarungen, die Kirche betont dies mit Nachdruck. Im Canon 1399 Nr. 5 des Kirchenrechts (von 1917) verbietet sie sogar ausdrücklich die Verbreitung von Büchern und Schriften, die kirchlicherseits unautorisierte "Erscheinungen, Offenbarungen, Visionen, Prophetien und Wunder“ enthalten. Denn nicht jede angebliche Offenbarung oder Botschaft kommt wirklich vom Himmel, zumal einige der neueren "Erscheinungen“ (neben vielem Richtigen) zum Gehorsam den modernistischen "Autoritäten“ gegenüber aufrufen (so z.B. Medjugorie), was indirekt als Begünstigung der Irrlehre bewertet werden muss. Ob sich denn die heilige Jungfrau darin ereifern kann, möge jeder selbst beantworten. 

Aber die Muttergotteserscheinungen von La Salette (1846), Lourdes (1858), Fatima (1917) sind von der Kirche als echt und somit als eindeutig himmlischen Ursprungs bestätigt worden! Daher darf (sollte!) sich jeder katholische Christ mit ihnen beschäftigen und ihre Aussagen für seinen Glauben verwerten. Und setzt man sich mit den Inhalten dieser bekannten Muttergotteserscheinungen auseinander, stellt man unweigerlich fest, dass sie alle eine große gemeinsame Aussage tätigen, eine Grundbotschaft an die Christenheit enthalten. Das ist der Aufruf zur Umkehr, zur Buße und zum Gebet! Und dieser Aufruf wird damit begründet, dass es auf Erden sehr viel Gottfeindliches gibt, dass die Menschen mittels ihrer zahlreichen sittlichen Vergehen und Sünden vielfach schwer die Ehre Gottes verletzen und Ihn somit schwer beleidigen! 

Daher soll jeder einzelne von uns - fortwährend - vom Weg des Unheils abkehren, d.h. die persönliche Umkehr vollziehen, Buße und Wiedergutmachung für die eigenen Vergehen und die der Menschen und Völker verrichten und schließlich auch für die armen verirrten Seelen der Sünder aufrichtig beten, damit sie eben auf den rechten Pfad des katholischen Glaubens und der christlichen Tugend geführt werden! Und dieser Aufruf wird an uns nicht wie eine Belanglosigkeit, etwa bloß neutral oder sachlich, gerichtet. Nein, es handelt sich dabei um einen höchst intensiven Appell! Wird denn sonst der Menschheit für den Fall des Verbleibens in der Sünde und Gottesferne so eindringlich (!) mit dem Unheil und der Strafe Gottes gedroht, die sie sich selbst zuzieht, wenn sie nicht umkehrt. Die heilige Jungfrau zeigt hier gewissermaßen lediglich die Folgen auf, die sich für einen Menschen aus seinem Verharren in der Sünde ergeben. Weint sie ja sogar (in La Salette) über das hohe Ausmaß des Gott durch die Menschen zugefügten Unrechts! Dieses Verhalten der Muttergottes wäre nicht zu verstehen, handelte es sich nicht um eine äußerst wichtige und höchst aktuelle Angelegenheit. 

Nun, wenn wir von Umkehr und Buße, wenn wir vom Gebet für die Sünder hören, dann denken wir unwillkürlich an etwas Trauriges, an etwas, was nicht so angenehm ist. Und in der Tat liegt über der Umkehr, der Buße und dem Bittgebet ein gewisser Schatten von Traurigkeit und Betrübnis. Wie ist dies aber zu vereinbaren mit der Tatsache, dass der christliche Glaube doch etwas Erfreuliches darstellt, dass er sehr viel mit der echten inneren Freude zu tun hat? Erkennt man wirklich die Liebe, die Güte und die sittliche Vollkommenheit Gottes, kann man doch nicht mehr trübselig oder niedergeschlagen sein. Begegnet man dem vielfältigen befreienden Handeln Gottes in der Welt- und in der persönlichen Lebensgeschichte, dem Erlösungswerk Jesu Christi, kann man nicht anders als die Herrlichkeit und Barmherzigkeit Gottes anbetend verehren! Bricht ja die heilige Jungfrau Maria angesichts des wunderbaren Wirkens Gottes an ihr selbst in Jubel aus: "Hoch preist meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland“ (Lk 1,46f.)! 

Wo und wie wäre denn hier die Buße einzuordnen? Nun, wenn wir einen Menschen lieben, wenn er uns sehr nahe steht, dann nehmen wir ja auch wie selbstverständlich Anteil an seinem Schicksal. Es ist uns eben nicht gleich, ob er wohlauf ist oder nicht, ob er gute oder schlechte Tage erlebt. Erfährt er etwas Schönes, hat er Erfolg, besitzt er irgendeinen berechtigten Grund zur Freude, freuen wir uns mit ihm mit. Läuft es aber bei ihm nicht so gut, widerfährt ihm ein Unrecht oder leidet er unter Misserfolg, dann kann uns das nicht kalt lassen. Sonst wären wir nicht wirklich an ihm interessiert, sonst wäre er uns nicht teuer! 

Nicht anders soll es auch in unserer Beziehung zum Herrgott gehen. Jedem echten Christen bereitet z.B. der Gedanke an die Auferstehung Jesu Christi von den Toten und an Seine Himmelfahrt nicht nur ehrliche Freude darüber, dass uns grundsätzlich die Pforten des Paradieses geöffnet worden sind, sondern auch darüber, dass der Herr selbst, persönlich, Tod und Leid überwunden und es (auch) Seiner menschlichen Natur nach verdient hat, nun zur Rechten des Vaters in der ewigen Glorie zu sitzen! 

Wie selbstverständlich begleitet ein treuer Jünger Christi seinen göttlichen Erlöser aber auch auf Dessen dornigem Kreuzweg; er empfindet Mit-leid mit Ihm, er leidet mit Ihm, wie die frommen Frauen des Evangeliums, da Er z.B. das himmelschreiende Unrecht der Todesurteils hinzunehmen hat, am Kreuz unter furchtbaren Schmerzen mit dem Tode ringt und Sein kostbares Blut zur Rettung der sündigen Menschheit vergießt. Es ist letztendlich nichts anderes als die aufrichtige Liebe zu Ihm, die uns mit Ihm in Freud und in Leid mitfühlen lässt! Und wenn wir bedenken, dass Christus nicht nur vor ca. 2000 Jahren auf Seinem irdischen Kreuzweg gelitten hat, sondern Ihm auch in der Zeit danach noch vielfach Schmach seitens der Menschen zugefügt wird, dann begreifen wir, wie notwendig die Buße ist. Und wie die treuen Jünger Christi zu allen Jahrhunderten den Aufruf zum Mit-Leiden mit ihrem göttlichen Erlöser vernommen haben, so wollen auch wir heute, an der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend, diesen Aufruf bewusst als eine an uns persönlich gerichtete Einladung zum mitfühlenden Mitgehen des Kreuzweges Christi verstehen. Und dies umso mehr, da Er ja Sein Kreuz stellvertretend für uns, d.h. an unserer Stelle, auf Sich genommen hat! Und dabei wird Ihm ja nicht "bloß“ die Liebe vorenthalten, die wir Ihm alle von Herzen schulden. Er wird darüber hinaus auch noch durch das gegen Ihn gewissermaßen frontal gerichtete Unrecht verletzt. Wenn wir mal verinnerlichen, wie sehr auf Ihn z.B. die bewusste oder auch "nur“ aus religiöser Lauheit vollzogene Abwendung von Ihm wirken, wie sehr Ihn das Fluchen oder der abscheuliche Missbrauch Seines heiligen Namens seitens der Menschen treffen muss, dann erahnen wir die Größe Seines Schmerzes. 

Wir haben uns heute wegen der Häufigkeit des Vorkommens schon fast daran gewöhnt, dass z.B. die Sonn- und Feiertage entheiligt werden, dass das Sakrament der göttlichen Liebe (auch und vor allem in der sogenannten "neuen Messe“) entweiht wird. Wir nehmen es fast wie selbstverständlich hin, dass Kinder jährlich millionenweise im Mutterleib getötet werden, dass Ehebrüche zum Tagesgeschäft gehören, dass die vor- und außereheliche Reinheit keine Rolle mehr unter unseren Zeitgenossen spielt. 

Aber für Christus bedeutet jedes einzelne dieser Vergehen einen gewaltigen Stich ins Herz!.. 
Nehmen wir daher, wenn wir in uns wenigstens noch die Liebe zu unserem göttlichen Erlöser erhalten haben, den Aufruf der Muttergottes zur Umkehr, zur Buße und zum Gebet sehr ernst! Die Adventszeit bietet sich wegen ihres Charakters hierfür hervorragend an. Versuchen wir auf diese uns wärmst anempfohlene Weise, Ihm bewusst sowohl den Mangel an Liebe und Ganzhingabe zu ersetzen als auch die schrecklichen Sünden der Menschheit wenigstens einigermaßen wiedergutzumachen, wie es uns halt unsere Kräfte und die jeweilige Lebenssituation erlauben. 

Es gibt viele Lagen im Leben, in welchen uns so manches nicht gerade eine große Freude bereitet, oder wir es sogar nur widerwillig hinnehmen können, weil uns nichts anderes übrig bleibt. Ob es sich dabei nun um die allgemein bekannten vielschichtigen Beschwernisse des alltäglichen Lebens oder auch um bewusst zugefügtes Unrecht handelt. Erinnern wir uns in diesen Situationen an den leidenden Heiland und erwecken wir in uns den heroischen Willen, alles sowohl aus Liebe zu Ihm als auch zur Wiedergutmachung unserer Sünden, auch und gerade unserer eigenen Sünden, aufzuopfern. Darüber hinaus werden wir dann nach dem Maße des Möglichen vielleicht sogar auch noch selbst nach Gelegenheiten suchen, Ihm unsere Liebe durch freiwillige Akte der Gottesliebe, durch Werke der Barmherzigkeit und durch freiwillige Opferleistungen zu erweisen! Der hl. Paulus sprich das Motiv hierfür an: "Die Liebe Christi drängt mich“ (2 Kor. 5,14). 

Die richtig verstandene christliche Buße bedeutet keinesfalls Selbstquälerei oder irgendeinen Verlust an heute höchst angepriesener Lebensqualität. Zwar verlangt sie von uns auf der einen Seite eindeutig Einschränkung und Selbstkontrolle, die mitunter auch eine große Kraftanstrengung erfordern. Da sie aber das liebende Mitgefühl zum Beweggrund hat, ist sie nicht - wie heute oft missverstanden wird - menschenfeindlich, sondern fordert in uns die (sittliche) Liebe bzw. erweckt in uns eigentlich erst die Fähigkeit, selbstlos zu lieben! Ob sich denn das nicht höchst reinigend und heilsam auf einen Menschen auswirkt und keine umfassende Bereicherung für sein Leben darstellt!? 

 

P. Eugen Rissling

 

 

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