Der Liebe verantwortlich

 

Wir Menschen neigen dazu, uns in schwierigen Situationen aus der Verantwortung für unser Tun stehlen zu wollen. Das zeigen sogar wissenschaftliche Untersuchungen.

In den 60-ger Jahren sollten im sogenannten Milgram-Experiment unter Leitung von Stanley Milgram von der Yale-Universität in Connecticut, USA, Versuchspersonen andere Menschen beim Vokabellernen überwachen und ihnen im Fall von Fehlern Stromstöße verpassen.

Dabei wurde die Stromstärke bei jedem Fehler höher. (Natürlich wurden im Experiment keine echten Stromschläge verpasst, sondern die Wirkung nur durch Schauspieler vorgetäuscht. Das wussten die Versuchspersonen aber nicht).

In der Regel zögerten die Versuchspersonen zunächst. Als aber die Versuchleitung ihnen sagte, ihr Handeln sei schon in Ordnung und als Versuchspersonen bräuchten sie für ihr Tun sowieso keine Verantwortung zu übernehmen, verloren die meisten ihre Hemmungen. Mehr als die Hälfte erteilte sogar Stromschläge mit der maximalen Spannung von 450 Volt! In einer realen Situation hätte das fatale Folgen für die so bestraften Menschen gehabt!

Es ist klar, dass es hier keine Entschuldigung derart geben kann, dass man sagt, die anderen hätten es ja auch so gemacht und man sei ja dazu aufgefordert worden, oder dass man reale Gräueltaten durch die Versuchsergebnisse als „gar nicht so außergewöhnlich“ schönredet.

Dieser Versuch offenbart, dass es auch einen falschen Gehorsam geben kann, der stets dort zu finden ist, wo Gott und Sein heiliges Gebot nicht mehr die erste Stelle im Denken und Handeln einnehmen. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ (Apg.5,29). Wo dieser Grundsatz nicht mehr gilt, da ist „Gehorsam“ keine Tugend mehr, sondern Untugend, ja, er kann zum Verbrechen werden! Dies gilt für alle Bereiche des Lebens, auch den kirchlichen Bereich kann man hier natürlich nicht ausnehmen!

Es zeigt sich, wie wichtig es ist, sein sittliches Urteilsvermögen nach Kräften und in ungeteilter Liebe zu Gott und zur Wahrheit, die sich uns im Gewissen offenbaren, zu schärfen, sich schon vorher auf schwierige Ausnahmesituationen vorzubereiten, jede Form von Unrecht schon im Kleinen zu bekämpfen, um dann gewappnet zu sein, wenn es im Großen von uns verlangt wird,  niemals bewusst in Unrecht einzuwilligen und sich nie, selbst in außergewöhnlichen Situationen, dazu verleiten lassen, sein eigenes verkehrtes sittliches Handeln mit der Aufforderung anderer, es zu tun, zu entschuldigen! Es geht bei unserem Handeln nicht darum, sich nur möglichst um ein einfaches Leben zu kümmern und dabei  ein (scheinbar) ruhiges oder eingeschläfertes Gewissen zu haben, sondern es geht um die konkreten Folgen für andere, für die Wahrheit, die Liebe und die Gerechtigkeit! All unser Tun und Lassen steht in einer Beziehung zur Liebe, die letztlich immer die Liebe Gottes ist, die uns gegenübertritt und auch uns zur Liebe auffordert.

Natürlich gibt es in der Realität auch schuldmindernde oder gar schuldaufhebende Umstände, vor allem dann, wenn bewusstes Denken oder klares Urteilen auf Grund bestimmter Umstände nicht möglich sind.

Sich jedoch nur sitten- und gerechtigkeitskonform zu verhalten, solange ein äußerer Rahmen dies von einem abverlangt, ist keine wahre moralische Haltung. Sie ist nämlich nicht von der Liebe bestimmt, was sich in bestimmten Situationen dann überraschend und oft auch erschreckend zeigt! Wer nicht wirklich entschieden aus der Liebe und der Wahrheit heraus lebt, der ist manipulierbar, wird ein Unmensch, wenn es die äußeren Umstände erlauben oder wenn es von ihm verlangt wird, wie es zahlreiche Beispiele täglich belegen.

Eine wirklich sittliche Haltung ist nur möglich in der bewussten, willentlichen und bis zum äußersten entschlossenen Antwort auf den Liebesaufruf Gottes, den jeder Mensch in seinem Herzen vernimmt. Verschließen und verhärten wir unsere Herzen nicht der Liebe Jesu, damit Er uns dann in der konkreten Situation bereit findet!

Als Jünger Christi wissen wir aber auch, dass wir die Liebe, die wir als „Soll“ erkennen, nur mit der Gnade Gottes in unserm Leben vollkommen verwirklichen können, da wir aus uns selbst zu schwach sind und zu wenig klar in der Wahrheit leben. Wir erheben uns somit auch nicht über die Fehler der anderen, da wir immer zuerst und zeitlebens an unseren eigenen Fehlern zu arbeiten haben!

Es ist das Gebet, das uns trägt, das uns das Leben in der Gnade und in der Liebe und Kraft des Heiligen Geistes erhält. Der Heilige Geist „nimmt sich unserer Schwachheit an“ (Röm. 8,26). Aus uns selbst wissen wir ja nicht einmal, „um was wir beten sollen, wie es sich gebührt“ (Röm. 8,26).

Er, der in der heiligen Taufe uns von der Sünde reinigt und wieder zu Kindern Gottes macht, erweckt und vollendet in uns Glaube, Hoffnung und Liebe und erfüllt uns mit Seinen Gaben der Weisheit, des Verstandes, des Rates, der Stärke, der Wissenschaft, der Frömmigkeit und der Furcht des Herrn.

Nur Seine Gnade und die Liebe, die Er in unsere Herzen ausgießt, schützen uns davor, vom rechten Weg der Gerechtigkeit und der Liebe abzuirren oder uns durch äußere Umstände entmutigen und fehlgehen zu lassen. Bitten wir ihn jeden Tag um Kraft und Weisheit, gerade in den schwierigen Situationen unseres Lebens.

Selbst wenn Er in Seiner Weisheit auch nicht alle Fragen sogleich so löst, wie wir uns das vielleicht vorstellen, so hilft er uns doch, unserer Verantwortung als Kinder und Ebenbilder Gottes in der Weise gerecht zu werden, wie es am besten ist, wenn wir uns Ihm nur öffnen.

Gott ist die Liebe und hat sich uns in Seiner Liebe in Jesus Christus auf vollkommene Weise geschenkt und geoffenbart! Das ist die Botschaft, die die Welt und die Herzen der Menschen bekehren und erneuern kann! Öffnen wir uns Seiner Liebe und zeigen wir der Welt, dass „Bekehrung“ keineswegs ein negativer Begriff ist, wie er immer wieder dargestellt wird, sondern eine Abkehr vom Bösen und eine Hinwendung zur Liebe Gottes bedeutet, und dass nur die tägliche Bereitschaft zu Umkehr und Bekehrung des Herzens das Leben lebenswert macht und vor dem Abgrund des Bösen rettet, das dort triumphiert, wo man sich dem Heiligen Geist und der Liebe Gottes verschließt!

 

Thomas Ehrenberger

 

Zurück Hoch Startseite