Warum wurde ich katholisch?


Mit mir stimmen alle Priester überein, mit denen ich über dieses Thema geredet habe. Das ist einfach eine Gabe Gottes. Für Atheisten ist dies ein leerer Schall, sollen sie sich also den Kopf über solchen Phänomenen zerbrechen. Zum Glauben kann man nicht anders kommen als dank der gütigen Gabe Gottes!

Und diese Gabe gibt Gott jedem, aber nicht alle wollen sie annehmen. Nicht weil sie nichts über Ihn wissen, sondern weil sie immer eine Erklärung finden, diese Gabe auszuschlagen. Denn Er regt ja zu Handlungen an, die den Menschen praktisch immer aus seiner menschlichen Bequemlichkeit herausführen.

In einer christlichen Familie erhält ein Kind diese Gabe unbemerkt, durch die Worte der Eltern und Erzieher (es kommt vor, dass dies auch nicht gelingt). Die klassische christliche Erziehung gehört heute in ihrer Breite leider der Vergangenheit an. Aber es kommt auch vor, dass Gott einem Menschen, wie mir zum Beispiel, den Glauben auf eine solche Weise selbst unbemerkt offenbart, dass eine Zeit eintritt, wenn du angenehm staunend plötzlich merkst, dass du schon ein Christ bist.
Deshalb ist die Antwort auf unsere erste Frage offenkundig und einfach. Wenn ein Mensch die Gabe Gottes erhält, wenn er sie, gewissenhaft handelnd, annimmt, dann wird er katholisch. Und zwar unabhängig davon, wo er lebt - in der Sowjetunion oder in Amerika, in einem orthodoxen, katholischen oder buddhistischen Umfeld.

Der Unterschied beginnt dort, wenn man sich die zweite Frage stellt - wie kann man sich der katholischen Kirche konkret-praktisch anschließen. So fühlte ich mich ungefähr vier Jahre lang als ein Katholik, ich betete, wie ich konnte, fastete, wie ich mir dies vorstellte usw. Ich wusste, dass ich nicht der einzige dieser Art im Weltall war, aber ...um mich herum baute man den Sozialismus und dachte noch nicht daran, ihn umzubauen.

Ich erwarb mir atheistische Bücher und schöpfte daraus, wie ich konnte, positive Informationen. Und gerade dort fand ich auch Gebete und Anleitungen, wie man sich als ein Katholik führen soll. Gott sei Dank war ich ein Historiker und war somit als solcher mit den Methoden der „Quellenkritik“ vertraut. Ich musste realisieren, dass bei aller Aufrichtigkeit eines allein seienden Katholiken dies nicht normal war. Man musste jemand finden, der einem im Glauben nahe stand. Aber wie?

Ich kannte Orthodoxe. Und weder empfand ich für sie jemals Feindseligkeit noch fühlte ich mich von ihnen abgestoßen. Aber obwohl ich über ihren persönlichen Glauben begeistert war und sie wegen ihrer Kirchlichkeit (zur Sowjetzeit!) sogar beneidet hatte, verstand ich, dass die russisch-orthodoxe Kirche als Kirche nicht dem entspricht, wozu ich von Gott selbst berufen wurde. Die Begriffe „Kirche Gottes“ und „Nationalkirche“ waren für mich unvereinbar. Die Frage, der russisch-orthodoxen Kirche beizutreten, die ich immer sehr respektierte, stellte sich mir niemals.

Ich weiß nicht warum, aber ich war überzeugt, dass es in Moskau eine katholische Kirche gibt. Wenn mich Gott schon berief, katholisch zu sein, dann hätte Er mich auch mit einer katholischen Kirchengemeinde „versorgen“ müssen. Ich weiß nicht, woher ich eine solche Sicherheit hatte. Aber jetzt, im Wissen um die Geschichte der katholischen Kirche in Russland, verstehe ich, dass die Sicherheit um das Vorhandensein einer solchen Kirche auch nicht „von dieser Welt“ ist.

Somit musste ich im sowjetischen Moskau eine katholische Kirche finden. Auf den üblichen Stadtplänen war sie sicherlich nicht zu finden, und Stadtpläne von Geheimdiensten, auf welche diese verzeichnet war, waren mir selbstverständlich ebenfalls nicht zugänglich. Man hätte sich bei der Auskunft melden können, aber diese Idee wurde von mir sofort verworfen - es waren nicht die richtigen Jahre, solche Fragen bei der Auskunft zu stellen. Dafür kam man damals sicherlich nicht mehr ins Gefängnis, aber man hätte sehr schnell den Studienplatz bei einer angesehenen Universität verloren oder auch Unannehmlichkeiten für die Angehören verursacht. Ich wusste noch nicht (ein Evangelienbuch hatte ich damals noch nie in den Händen gehalten), dass es geboten ist, „schlau wie die Schlange“ zu sein, aber verstand, dass solches ratsam ist.

Im Metro standen damals Auskunft-Telefone. So rief ich an und fragte. Man antwortete mir nicht sehr freundlich, dass das Auskunftsbüro über keine Informationen zu religiösen Organisationen verfügt. Es war also nicht riskant für mich. Aber was sollte ich tun? Am nächsten Tag erkundigte ich mich nach der „Zentrale für atheistische Propaganda“. Ich ging davon aus, dass es in Moskau sicherlich etwas dieser Art geben wird. Über eine solche Information verfügte das Auskunftsbüro sehr wohl und teilten sie mir auch willig mit.

Einen Tag später erschien ich gegen Ende des Arbeitstages in dem betreffenden prächtigen Gebäude aus der Zeit vor der Revolution. Ich ging zu einer Dame mittleren Alters und sagte ihr, dass ich hierher gekommen wäre, um mich über eine für mich sehr wichtige Frage beraten zu lassen. Das machte Eindruck. Offensichtlich kamen nicht jeden Tag junge Leute in dieses Haus, um Rat in für sie wichtigen Fragen einzuholen. Die Frau wusste nun sofort, die Bedeutung einer Vertreterin der sowjetischen Staatspropaganda zu schätzen.

Wir setzten uns in einem Zimmer nieder. Ich teilte ihr mit, dass ich ein junger Lehrer im Praktikum sei, mich sehr um die jungen Seelen kümmere und einen Lehrzirkel des wissenschaftlichen Atheismus ins Leben rief. Den Mantel der Heimtücke von den Kirchenvertretern niederreißend, welche sich hinter der äußeren Pracht der Kirchengebäude verstecken, hätte ich deren wahres Wesen am Beispiel konkreter Fälle gezeigt, damit die Kinder, welche sich zufällig in einer der Kirchen befinden würden, sich nicht hinter das Licht führen ließen, da sie ja jetzt wüssten, was dort wirklich Sache sei. Die Entlarvung der Orthodoxen sei mir gut gelungen. Aber, um das Bild zu vervollständigen, bedürfte es nun noch der Entlarvung der Katholiken und der Protestanten. Aber wo hätte ich als ein Bürger der Sowjetunion solche Kirchen finden können! Ich bräuchte solche Informationen, um die Qualität des Unterrichts zu heben - ohne praktische Beispiele ginge es eben schwer.

Die Frau fiel darauf ein. Sie fing selbst an, mir über die Verlogenheit von Popen, Priestern und Pfarrern zu erzählen. Und sie gab mir die Adressen der Kirchen von Protestanten und Katholiken! Ich fand für sie Worte aufrichtigster Dankbarkeit. Sie war zufrieden mit sich und mit mir. Gebe ihr Gott alles Gute!

Die Anschrift des katholischen Gotteshauses behielt ich auf immer im Herzen. Der Anschrift der protestantischen Gemeinde entledigte ich mich aber an der ersten Mülltonne.

Es war der späte Maimonat. Alles grünte. Gegen sieben Uhr abends war Malaja Ljubjanka (der Stadtteil, in welchem sich nicht weit von der ehemaligen KGB-Zentrale das katholische Gotteshaus befindet - Anm. des Übersetzers), noch von der Sonne beschienen, menschenleer. Und ich sah sie zum ersten Mal: hinter zahlreichen Bäumen und dem Zaun aus Holz die Kirche des hl. Ludwig. Ich begriff, dass ich nach Hause kam!

Die Kirche war zu jener Stunde geschlossen (keine Abendmessen an Werktagen). Aber an der Seitentür beschäftigte sich ein Mann mit dem Schloss. Er war „mein“ erster Katholik. Später verstehe ich, dass er nicht nur der erste Katholik für mich war. Er war für ganz Moskau nicht bloß ein einfacher Katholik! Er (nicht er allein natürlich) wird mich später vieles lehren. Er wird mich die Liebe zur Kirche und zu ihren Hirten lehren, er wird mich lehren, immer katholisch zu bleiben.

Übrigens scheute ich an jenem Tag, mich mit ihm bekannt zu machen. Es verging nicht nur ein Jahrzehnt, es veränderte sich das Land, und auch die Kirche fand sich in einer grundsätzlich anderen Situation wieder, dann hatte ich als Leiter der Moskauer römisch-katholischen Gemeinde St. Pius V. von Gott die Gnade erhalten, ihm, der nun in einem Krankenhaus im Sterben lag, einen Priester zu vermitteln (den Übersetzer dieses Berichts), welcher ihm, wie er auch wünschte, sämtliche hl. Sterbesakramente im unveränderten überlieferten Ritus spendete. Das war der polnische Katholik Genrich Urbanowitsch (eine unter den Moskauer Katholiken sehr bekannte und angesehene Persönlichkeit - Anm.) Es bleibt zu hoffen, dass ich mich trotz der Verkehrtheit des gegenwärtigen Daseins doch als würdig erweisen werde, ihn noch einmal zu treffen, mir dieses Mal die Tür vielleicht sogar zu einem anderen Tempel Gottes öffnend!

Aber in den Tempel Gottes unter dem Namen „Kirche zu Ehren des hl. Ludwig“ trat ich am Tag darauf ein. Das war der 22. Mai... Mehrere Jahrzehnte später werde ich in Erfahrung bringen, dass der 22. Mai der Tag der Heiligsprechung des hl. Pius V. ist. Ich trat in die Kirche ein, und dort begann bald die hl. Messe. Selbstverständlich konnte ich die tiefe Bedeutung dessen, was sich da vollzieht, nicht begreifen. Das kann ich auch jetzt nicht - es kann niemand! Die Erhabenheit des Augenblicks der Gegenwart Gottes ist nicht mit Worten auszudrücken. Auch nicht auszudrücken, wenn man mit den Worten eines Dichters spricht: „Das Herz bedurfte nichts, als ich jene brennende Glut trank, - die Lateinische Messe, ein wundervoller Riese, vor mir wie eine Wolke stand...“

Ich bekam, was ich suchte. Das Herz beruhigte sich in Gott. Es stellte sich heraus, dass es bei den Katholiken, dass es bei uns, den Katholiken (o, wie bin ich glücklich, dies seit jenem Augenblick sagen zu können!), sieben Sakramente gibt, dass Latein die Sprache der Kirche ist. Wie wunderbar!!! Und man erklärte mir, warum dies alles so sein müsse. Man erklärte es mir einfach, logisch, zugänglich.

Und wenn es nicht sieben Sakramente gegeben hätte, wenn man in der Kirche nur auf einem Fuß hätte stehen müssen, und wäre Suaheli kirchliche Sprache, und hätte man mir gezeigt, dass gerade dies die unveränderliche Lehre und tausendjährige Praxis der Kirche sei, hätte ich auch dann gesagt: „Wie wunderbar!“ Ich war in der Kirche, von Jesus Christus gestiftet, in der Kirche, welche den ganzen Schatz der katholischen Wahrheit unverändert überliefert. Ich war jetzt genau so ein Katholik, wie auch die Menschen, die vor mir lebten. Die Alten lehrten mich zu glauben und zu lieben wie sie. Sie lehrten mich zu sein wie sie. Aber sie lehrten mich nichts Eigenes, sie haben einfach alles weitergegeben, was sie auch selbst erhielten - die Gebete, den Gottesdienst, die Moral. Und nichts Neues. Das ist eben Tradition. Lebendige Überlieferung - wenn sich nichts ändert, wenn man es lebt. Das Wort „Tradition“ kommt von „Übergabe“. Aber wenn man etwas entfernt oder hinzusetzt, dann ist es keine Übergabe. Übergabe von wem?

Ich war glücklich, mich einfließen zu lassen in den ununterbrochenen Fluss der Heiligkeit, welcher die ersten Jünger Jesu mit den Aposteln der Endzeit verbindet. Ich erwarb eine große Freude und auch eine große Verantwortung. Ich war verpflichtet, den ganzen katholischen Schatz zweier Jahrtausende anzunehmen und zum Erben der heiligen Apostel, des hl. Ludwig, des hl. Thomas von Aquin, des hl. Jean Marie Vianney zu werden. Aber nur unter der Bedingung, dass ich mich bemühe, mich alles dessen würdig zu erweisen und dieses ganze Erbe in unveränderter Weise weiterzugeben. Es ist schwer, aber ich war glücklich.

Die Kirche wurde wirklich zum Haus. Hier herrschte wirklich die christliche Liebe, obwohl man sie nur dann sehen und verstehen konnte, wenn man sie auch selbst dem Nächsten schenkte. Äußerlich war alles nicht einfach, manchmal auch furchterregend. Was kosteten uns allein die KGB-Kameras, welche auf den Eingang der Kirche gerichtet waren! Aber wir verloren auch hier nicht den Mut, denn Gott selbst war ja mit uns. Mein Freund Michael erzählte mir damals, wie er einmal, zur Kirche gehend, bemerkte, dass sich eine Kamera langsam ihm hinterher bewegte. Er blieb stehen, nahm die Mütze ab und verneigte seinen Kopf: „Guten Tag“! Die Kamera blieb stehen ...und bewegte sich dann zwei-drei Mal rauf und runter. Hinter der Kamera befand sich also auch ein Mensch, der Humor besaß.

Es könnte scheinen, als ob dies ein Widerspruch wäre: man hatte Angst, nach der Kirche zu fragen, aber dann fürchtete man sich nicht mehr, in die Kirche unter der Beobachtung von Kameras zu gehen. Ja, ich hatte damals Angst, aber nach drei Monaten nicht mehr. Denn Taufe und Firmung! Der, welcher Angst hatte, nach der Kirche zu fragen, starb. Er starb und wurde wiedergeboren als ein Mensch, welcher keine Angst mehr hatte.

Das bedeutet überhaupt nicht, dass die Taufe und Firmung den Menschen zu einem furchtlosen Superman verwandeln. Die Angst war jetzt einfach anderer Art. Man fürchtete sich nicht mehr vor dieser, wenn auch angsteinflößender, Welt - man fürchtete sich, untreu zu werden, dem untreu zu werden, wessen man gewürdigt wurde. Meine Taufpatin (gest. 1989) bewahrte den Glauben in viel schwierigeren Zeiten, aber noch 1988 sagte sie mir, dass sie ununterbrochen betet und um die Kraft bittet, treu bis zum letzten Atemzug zu bleiben. Sie hat wohl kaum die Ereignisse des Jahres 1990 vorausgeahnt.

Ich denke, es sollte für einen Christen selbstverständlich sein, seinen Glauben und seine Treue zur Kirche als das Wertvollste anzusehen. Daher auch die Sorge um all das! Auf der anderen Seite befähigt aber das übernatürliche Vertrauen in den Schutz Gottes, sich nicht mehr darüber übermäßig zu beunruhigen, wessen man sich früher sehr fürchtete. Sich selbst Gott überantwortend erlangen wir eine Art Sicherheit in dieser Welt, aber fürchten uns jetzt davor, Gott nicht mehr zu vertrauen. Wahrscheinlich ist dies auch die Gottesfurcht, welche als Segen geschenkt wird!


(Fortsetzung folgt)

Alexander Kryssov

(übersetzt von P. Eugen Rissling)

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