Die Einheit der Christen


Vom 18. bis 25. Januar wird seit einigen Jahrzehnten im postkonziliaren Raum jedes Jahr eine Woche der Einheit der Christen abgehalten. Im Rahmen verschiedener Veranstaltungen finden dabei sowohl Vorträge und Diskussionsrunden zum besagten Thema statt als auch werden zahlreiche so genannte “ökumenische Gottesdienste” durchgeführt. Auch wird zu diesem Zeitpunkt in den kirchlichen Medien einiges mehr über die verschiedenen protestantischen und die orthodoxen Gemeinschaften berichtet.

Nun, die Einheit der Christen ist sicherlich ein wichtiges Anliegen. Auch uns, den sich der katholischen Tradition verpflichtet fühlenden Katholiken, muss dies ein Anliegen sein und bleiben. Denn die Spaltung innerhalb der Christenheit ist zweifelsohne ein großes Ärgernis, welches es an sich unbedingt zu überwinden gilt! Wünschte und betete ja auch und gerade Jesus im so genannten hohepriesterlichen Gebet sowohl für die Apostel selbst als auch für alle, “die auf ihr Wort hin an Mich glauben werden: Lass sie alle eins sein! Wie Du, Vater, in Mir bist und Ich in Dir bin, so lass auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaube, dass Du Mich gesandt hast” (Joh 17,20f). Daraus wird ersichtlich, dass es keinem Katholiken egal sein darf, ob sich nun ein Riss der Spaltung durch die Christenheit zieht oder nicht.

Und es wären natürlich auch alle Maßnahmen zu begrüßen, die in aller Aufrichtigkeit auf der einen Seite darauf abzielen, diesen traurigen Zustand im Geiste Jesu Christi zu überwinden und auf der anderen Seite bezwecken, letztendlich allein Seiner Wahrheit zum Sieg zu verhelfen.

Und natürlich müsste als einer der ersten Schritte in diesem ganzen Prozess unter anderem auch die grundsätzliche Frage nach den fundamentalen Prinzipien der jeweiligen christlichen Gemeinschaften gestellt werden. Denn wenn man nicht weiß, was das ursprüngliche und ausschlaggebende Element einer theologischen Position oder auch einer historischen Entscheidung ist, und worauf diese letztendlich konkret zurückzuführen sind, versteht man die andere Seite nicht und kann dann weder zu einem sachgerechten Gespräch kommen noch die bestehenden Probleme lösen. Und somit wird man dann auch nicht die an sich sehr wünschenswerte Einheit unter den Christen schaffen.

Aber untersuchen wir nun doch zunächst die Frage, was denn das entscheidende Prinzip der verschiedensten protestantischen Gemeinschaften ist. Der bekannteste “Reformator” Martin Luther hat nach seinem Bruch mit der katholischen Kirche offiziell den Grundsatz aufgestellt, dass allein die Heilige Schrift (sola scriptura!) die einzige und letzte Instanz in Fragen der christlichen Religion sei. “In der Tat stellte Luther damals (1519 während der Leipziger Disputation mit dem katholischen Theologen Johann Eck - Anm.) mit voller Entschiedenheit das sog. Formalprinzip des Protestantismus auf, indem er nur das als religiöse Wahrheit gelten lassen wollte, was aus der Heiligen Schrift nachweisbar sei. Die Bedeutung der Leipziger Disputation liegt also darin, dass der Reformator zu einer klaren Herausstellung seiner häretischen Ansichten über Kirche und Papsttum genötigt wurde. Die unüberbrückbare Kluft, die ihn von der katholischen Anschauung trennte, war deutlich erkennbar; es handelte sich nicht mehr bloß um einen Schulstreit über untergeordnete Lehrpunkte, sondern um einen grundstürzenden Widerspruch gegen die Lehre und Verfassung der Kirche” (Bihlmeyer, Tüchle, Kirchengeschichte. Paderborn 1961, Band III, S. 17).

Und nun berufen sich seitdem sämtliche protestantische Gemeinschaften voll Stolz darauf, sie würden, indem sie sich ja allein auf die Heilige Schrift berufen, den reinen Glauben des Evangeliums vertreten. Nur stoßt sonderbar auf, dass sich dieselben Protestanten in einer ganzen Reihe von Lehraussagen paradoxerweise in nicht unbedeutendem Umfang voneinander unterscheiden, obwohl sie sich ja alle angeblich auf die Heilige Schrift berufen und somit das “reine Evangelium” verkündeten!

Hinweise auf die Ursache für diese teilweise gewaltige Dissonanz zwischen den verschiedensten Lehraussagen der Protestanten untereinander lassen sich in der Frage finden, wie da nämlich bisweilen die Hl. Schrift “ausgelegt” wird. Luther hat ja bekanntlich die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt. “Doch zeigt Luther in dieser Verdeutschung, dass ihm auch die Heilige Schrift keine unantastbare Autorität sei, wenn sie mit seinen subjektiven Anschauungen nicht in Einklang zu bringen war. So wagte er es unter anderem in der Vorrede zum Neuen Testament, den Jakobusbrief als ´ein recht strohern Epistel´ zu schmähen, die keine evangelische Art an sich habe” (Bihlmeyer, Tüchle, ebd., S. 24).

Also ging es Luther letztendlich doch nicht um die “reine Lehre des Evangeliums”, wie er wiederholt scheinheilig angegeben hatte, sondern schlicht und ergreifend um seine eigene persönlich-willkürliche Auslegung desselben! Maßte er sich doch, wie gerade gesehen, an, über die einzelnen Schriften der Heiligen Schrift darüber zu befinden, ob sie nun die “evangelische Art an sich” hätten oder eben nicht!

“Wenn man Luthers eigene Aussagen beachtet - es könnten ihrer noch sehr viel mehr angeführt werden -, so kann gar kein Zweifel daran bestehen, dass er die Heilige Schrift immer wieder, und seit seinem Bruch mit der katholischen Kirche ausschließlich, nach seiner eigenen Erfahrung interpretiert hat” (Hacker Paul, Das Ich im Glauben bei Martin Luther. Verlag Syria 1966, S. 73). “Er hielt sich für einen Propheten, vom Heiligen Geiste gesandt, um das Evangelium von neuem der Welt zu offenbaren (WA 40 I 627,11); ´die Gabe der Prophetie und unser Studium zusammen mit den inneren und äußeren Anfechtungen öffnen uns das Verständnis des Paulus und aller Schriften´ (WA 40 I 634, 29)” (Hacker Paul, ebd. S. 73).

“Das Kriterium der Gültigkeit der Auslegung (der Heiligen Schrift - Anm.) ist vom Objektiv-Allgemeinen in die subjektive Jeweiligkeit des Hörers oder Lesers verlegt. Zwar steht bei Luther die objektive Gültigkeit des inspirierten Schriftwortes noch fest, aber doch nur als Ermöglichungsgrund der je subjektiven Heilserfahrung. Es ist daher eine im Ursprung des Protestantismus schon angelegte, folgerichtige Entwicklung, wenn die Inspirationslehre heute von den meisten protestantischen Theologen nicht mehr aufrechterhalten wird” (Hacker Paul, ebd. S. 74).

Demnach gaben letztendlich (!) die rein subjektiven Anschauungen des Individuums Martin Luther den Anstoß für seinen folgenschweren Bruch mit der gesamten apostolischen Tradition der Kirche in Ost und West; demnach beruht auch die ganze “reformatorische” Bewegung des Protestantismus zunächst letztendlich in dem persönlichen Dafürhalten des Privatmenschen Martin Luther!

Kein Wunder, dass es dann auch die übrigen “Reformatoren” diesem ehemaligen Augustinermönch nachgemacht haben, indem sie ebenfalls eigenmächtig und eigenwillig über die Heilige Schrift sozusagen zu Gericht sassen und letztendlich ihre eigenen unmaßgeblichen Privatmeinungen darüber dem breiten Publikum als das eigentliche “reine Evangelium” ausgaben. Sie alle beriefen sich zwar nominell auf die Heilige Schrift, missachteten dabei aber die wichtige historische Tatsache, dass diese in der katholischen Kirche entstand und von der katholischen Kirche geordnet wurde, und dass diese somit nur im Sinne ihres Urhebers, der katholischen Kirche, richtig gelesen und verstanden werden kann! (Vgl. dazu die dreiteilige Artikelreihe “Kirchliche Tradition und Heilige Schrift” in “Beiträge” / Nr. 30-32.)

Von Luther und den übrigen “Reformatoren” wurde aber eine richtige Lawine losgelassen, die von ihnen dann in der Folge nicht mehr gesteuert werden konnte. Zwar schwören die Protestanten in der Regel nach wie vor felsenfest auf die Heilige Schrift, in der Praxis aber präsentiert jeder einzelne Prediger und jede einzelne Gruppe nur ihre eigene persönliche Interpretation derselben. Daher rührt auch die furchtbar inflationäre Zahl der verschiedenen protestantischen Sekten, die niemand mehr zählen kann!

Und ohne allen Protestanten automatisch die gute Absicht absprechen zu wollen, dass sie ehrlich nach Christus und Seiner Wahrheit in der Heiligen Schrift suchen, muss dennoch festgestellt werden, dass das ausschlaggebende Element des Protestantismus letzten Endes doch in der “subjektiven Jeweiligkeit des Hörers oder Lesers” liegt und stark in die Privatmeinung des einzelnen Menschen verlagert wurde! Somit entpuppt sich der Protestantismus als eine Art Vorläufer bzw. Vorbote der liberal-modernistischen Mentalität, wonach es sowohl auf der dogmatisch-religiösen als auch auf der sittlich-moralischen Ebene von der eindeutigen Tendenz her weder allgemein Gültiges noch für alle Verpflichtendes gibt. Um in der Art Luthers zu sprechen, wäre dann jeder für sich selbst ein Papst, Bischof und Priester!

Als ich voriges Jahr aus pastoralen Gründen nach England reiste, wurde mir bei dieser Gelegenheit in besonderer Weise bewusst, um wie viel erbärmlicher es in dieser Hinsicht bei den Anglikanern bestellt ist, die sich ja ebenfalls im 16. Jahrhundert von der katholischen Kirche trennten! “Die Trennung entsprang einem Willkürakt des fast unumschränkt herrschenden Königtums, das leider genug gefügige Helfer fand. Die unmittelbaren Beweggründe dazu waren niedrigster Art. Heinrich VIII. (1509-47), als jüngerer Sohn Heinrichs VII. früher für den geistlichen Stand bestimmt und in Oxford theologisch gebildet, zeigte sich in der ersten Zeit seiner Regierung als eifriger Anhänger des alten Glaubens. Gegen Luthers Kampfschrift De captivitate Babylonica Ecclesiae (Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche - Anm.) trat er selbst 1521 mit einer Assertio septem sacramentorum (Bejahung der sieben Sakramente - Anm.) auf und erhielt von Papst Leo X. zum Dank dafür den Ehrentitel Defensor fidei (Verteidiger des Glaubens - Anm.), den die Könige von England heute noch führen. Aber seine sinnliche Leidenschaft und ein hässlicher Ehehandel trieben ihn gleichwohl zum Bruch mit Rom” (Bihlmeyer, Tüchle, ebd., S. 78f).

Zwar wurden von Heinrich VIII. zunächst noch theologische Überlegungen ins Feld geführt, um die von ihm gewünschte Auflösung der Ehe mit Katharina von Aragonien zu erreichen und dann die Hofdame Anne Boleyn heiraten zu können. Die Tatsache aber, dass Heinrich VIII. später auch Anne Boleyn verstieß (und hinrichtete) und sich dann noch vier (!) weitere “Ehefrauen” zulegte (zwei davon ebenfalls hingerichtet und von einer ebenfalls geschieden), bestätigt die Berechtigung der Annahme, dass es diesem englischen König keinesfalls um das Ringen um das christliche Eherecht ging, sondern dass er sich letztendlich nur von seinen niedersten Leidenschaften leiten ließ!

Für uns hier stellt sich somit die Frage, wie denn die Anglikaner (vor allem die von heute, da es doch seit langem keine blutige Verfolgung der katholischen Kirche in England mehr gibt!) vor Gott und ihrem eigenen Gewissen den Bruch mit Rom und den darauffolgenden Verrat am überlieferten katholischen Glauben verantworten können, obwohl doch historisch gesehen überdeutlich erwiesen ist, was dazu geführt hat! (Hat doch Heinrich VIII. den apostolisch-katholischen Glauben zunächst ja noch selbst gegen die protestantische Häresie ausdrücklich verteidigt!) Wie können die Anglikaner darüber hinaus in ihren Königen und Königinnen lächerlicherweise immer noch “das oberste und einzige Haupt der Kirche Englands” sehen und diesen “die geistliche Macht und Autorität in dem Lande” zusprechen (vgl. Bihlmeyer, Tüchle, ebd., S. 81), welche doch letztendlich allein einem rechtmäßigen Papst als dem Nachfolger des Apostels Petrus zustehen?

Somit verdankt der Anglikanismus sein Entstehen letztendlich der Machtwillkür und den sexuellen Trieben eines Heinrichs VIII., auch wenn es heute in der postkonziliaren “Kirche” im Hinblick auf die so genannten “ökumenischen” Bestrebungen nicht opportun erscheint, solche Feststellungen zu tätigen. Nichtsdestoweniger stellt das vorhin geschilderte und extrem sündhafte Verhalten Heinrichs VIII. gewissermaßen das Prinzip des Anglikanismus dar, ohne dass wir dabei wiederum alle Anglikaner automatisch und pauschal als ehrlos oder unanständig bezeichnen wollten.

Aber wenn man neben grundsätzlichen theologischen Fragen auch die historische Vergangenheit ehrlich aufarbeiten und somit auch aufrichtig um die Einheit unter den Christen ringen wollte, müssten auch solche für die heutigen “Ökumeniker” wohl eher unangenehme Feststellungen gemacht werden. Denn schiebt man solches beiseite, will man nicht der Wahrheit dienen, sondern folgt nur irgendeiner Ideologie!

Dagegen zeichnete sich die katholische Kirche, was eben ihre letzte Glaubensquelle angeht, schon immer weder durch die private Meinung des Einzelnen noch durch die Willkür irgendeiner Gruppe aus. Nein, sie hat den entscheidenden Wert ohne Wenn und Aber auf die Apostolische Tradition gelegt! Hat ja Jesus beim Missionsbefehl den Aposteln ausdrücklich aufgetragen, sie sollen die Völker “alles (zu) halten” lehren, “was Ich euch geboten habe” (Mt 28,20). Die Apostel folgten dann diesem Ruf und gaben den ihnen von Christus gepredigten Glaubensinhalt unverändert an ihre Zuhörer, an die nächste Generation, weiter. Stellvertretend für das apostolische Zeitalter formuliert der hl. Apostel Paulus den in der katholischen Kirche seit damals vorherrschenden Grundsatz: “Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe” (1 Kor 11,23)!

Sich selbst betrachteten die Apostel “als Diener Christi und als Verwalter der Geheimnisse Gottes. Da verlangt man von einem Verwalter nichts, als dass er treu befunden wird” (1 Kor 4,2). Somit käme es ihnen nicht einmal in den Sinn, Hand an das Depositum Fidei, den von Christus überkommenen Glaubensschatz, anzulegen bzw. es wie auch immer substanziell zu verändern oder zu manipulieren. Und da dieses Prinzip der Apostolischen Überlieferung allgemeine Geltung besass und somit überall in der Kirche verbreitet und anerkannt wurde, wurde auch entsprechend gewährleistet, dass der eigentliche Glaubensschatz keinen wesentlichen Änderungen unterzogen wurde!

So wurde dieser Grundsatz der Apostolischen Tradition bzw. kirchlichen Überlieferung zum unangefochtenen Prinzip des Katholizismus! Von Generation zu Generation wurde der Glaube so weiter gegeben, wie man ihn selber von den Vorfahren überliefert bekommen hat. Dadurch wurde er der Willkür und Beliebigkeit des Einzelnen entzogen, in seinem Kern vor menschlichen Beimischungen bewahrt und somit heilig erhalten!

Und man prüfte dann auch alles im Lichte dieses überlieferten Glaubens! Sind Lehren aufgebracht worden, die nicht mit dem Inhalt der überlieferten apostolischen Glaubenspredigt übereinstimmten, sind sie als irrig und häretisch gebrandmarkt worden. Natürlich führte dies dann bedauerlicherweise auch zu Abspaltungen von der Kirche. Aber dennoch konnte sich jeder Mensch guten Willens am rechten katholischen Glauben orientieren und bei der wahren apostolischen Kirche bleiben.

So lehrt Paulus, dass alles, was mit der christlichen Religion und Lebensführung in Verbindung steht, auf seine Entsprechung mit dem (überlieferten) Glauben überprüft werden müsse: “Je nach der Gnade, die uns verliehen ist, sind wir verschieden begabt. Wer die Prophetengabe hat, gebrauche sie in Übereinstimmung mit dem Glauben” (Röm 12,6).

So ist übrigens auch der Kanon der Heiligen Schrift entstanden! Zwar gab es anfänglich wesentlich mehr Schriften, welche den Anspruch auf die Urheberschaft durch einen der Apostel und somit auch auf die göttliche Inspiration erhoben. Aber trotzdem wurden dann bei weitem nicht alle als solche anerkannt, weil deren Inhalt eben nicht oder nicht zu 100 % mit dem Inhalt des überlieferten apostolischen Glaubens übereinstimmte. Und es war eben wieder die katholische Kirche, welche fähig, berechtigt und sogar beauftragt war, solche Entscheidungen bezüglich des Ursprungs der jeweiligen Schriften zu treffen, weil sie ja im Besitz der mündlichen apostolischen Glaubensüberlieferung war und in ihr somit auf diese Weise auch das Kriterium der Wahrheit, das gepredigte Wort Christi, von Generation zu Generation lebendig erhalten wurde!

Entgegen einer in nichtkatholischen Kreisen weit verbreiteten Meinung haben auch die verschiedenen von der Kirche ausdrücklich anerkannten Allgemeinen Konzilien keinesfalls neue Lehren erfunden oder neue Dogmen erstellt! Die Konzilsväter haben jeweils nur die verschiedenen entweder neu entstandenen oder auch nur die nun verstärkt in den Mittelpunkt gerückten Lehren geprüft und entschieden, ob diese in Übereinstimmung mit dem überlieferten Glauben standen oder nicht. Falls dies nach sorgfältiger Prüfung bestätigt werden konnte, wurde diese somit in der Kirche schon immer vorhandene Glaubenslehre “nur” zum Rang eines so genannten Dogmas, eines von der Kirche feierlich und mit Nachdruck verkündeten Glaubenssatzes (!), erhoben. Falls aber eine Lehre nicht im Einklang mit der kirchlichen Tradition stand, wurde sie verworfen und in den meisten Fällen dann auch zu einem ausdrücklichen Glaubensirrtum, einer Häresie, erklärt.

Nach der Entstehung und Kanonisierung vor allem der Heiligen Schriften des Neuen Testamentes hat die Kirche sämtliche jener Lehren auch im Hinblick darauf untersucht, ob diese nicht nur in Übereinstimmung mit der mündlichen Überlieferung stehen, sondern ob sie zusätzlich auch noch durch die schriftliche kirchliche Überlieferung, die von der Kirche verfassten und verordneten Heiligen Schriften, belegt werden können!

Ganz analog verhielt es sich, auch wenn ein Papst kraft seines höchsten Apostolischen Amtes einen Glaubenssatz zum Rang eines Dogmas erhob. Auch er hat dabei keine neuen Dogmen nach der Art eines Willküraktes frei erfunden, sondern lediglich die Feststellung gemacht, dass eine bestimmte Lehre sowohl durch die Befragung zum Beispiel der Glaubenszeugnisse der Kirchenväter (als der hervorragendsten Zeugen ihrer Zeit!) bezeugt werden könne als auch direkt oder indirekt in den biblischen Schriften anzutreffen sei. Somit wurden auch in solchen Fällen von der Kirche die beiden Säulen der kirchlichen Tradition, sowohl die mündliche wie die schriftliche Überlieferung, unbedingt zu Rate gezogen! (Vgl. zu dieser ganzen Fragestellung auch die mehrteilige Artikelreihe “Kirche und Tradition” in “Beiträge”/22-27.)

Die offiziellen “ökumenischen” Aktivitäten praktisch des letzten halben Jahrhunderts entwickeln sich von der klaren Tendenz her in Richtung der Übernahme vieler protestantischer Vorstellungen durch die “katholische” Seite. Bestenfalls (!) trifft man gelegentlich eine Art faulen Kompromiss, bei welchem beide Seiten theologisch-inhaltlich von ihren ursprünglichen Positionen abrücken und aufeinander zugehen. Aber auch schon diese Praktik ist - von der authentisch-katholischen Sicht her betrachtet - als eine Abkehr vom überlieferten katholischen Glauben zu bewerten, als ein Verrat an der apostolischen Tradition einzustufen! Denn in Sachen der Religion darf es einem ernsthaften und überzeugten Katholiken nicht etwa darum gehen, “sympathisch” oder “kompromissbereit” zu erscheinen oder auch unbedingt den Zuspruch oder den Lob der von den liberalen Medien dominierten breiten Öffentlichkeit zu erreichen. Dies käme eher einem grundsätzlichen Mangel an Prinzipien gleich!

Nein, unsere Bemühungen um die Einheit unter den Christen können letztendlich nur dann von einem echten und dauerhaften Erfolg gekrönt sein, wenn wir sie ohne Wenn und Aber auf dem Boden der apostolischen Tradition errichten wollen. Dies bedeutet aber, dass man sich auf allen Seiten unbedingt an der überlieferten kirchlichen Glaubenswahrheit orientieren ...und somit diese katholische Lehre annehmen muss! Alles andere ist, weil es zumindest nicht in allen wichtigen Punkten auf der von Christus gepredigten Wahrheit aufbaut, praktisch zum Scheitern verurteilt.

Und gerade die echte christliche Liebe zu den Andersdenkenden und die aufrichtige Sorge um ihr ewiges Seelenheil verpflichtet uns, einen solchen klaren und unmissverständlichen Weg der katholischen Mission zu gehen. Denn sonst rückt man von der Wahrheit Christi ab und wird nicht nur Seinem Auftrag an die Apostel (und die gesamte Kirche) untreu, welcher ja lautet: “So geht denn hin und macht alle Völker zu Jüngern, indem er sie tauft ... und sie alles halten lehrt, was Ich euch geboten habe” (Mt 28,19f), sondern missachtet in schwerwiegenster Weise auch Seine folgenden präzisierenden Erläuterungen an dieselben Apostel: “Wer euch hört, der hört Mich; wer euch verwirft, verwirft Mich; wer aber Mich verwirft, der verwirft den, der Mich gesandt hat” (Lk 10,16).

Somit kann die echte Bemühung um die Einheit der Christen nur darin bestehen, alle Nichtkatholiken von der Wahrheit des überlieferten apostolisch-katholischen Glaubens zu überzeugen und sie als die berühmten verirrten Schafe des Evangeliums somit in den Schoß der katholischen Kirche heimzuführen! Dies erfordert nicht nur zahlreiche Gespräche, sondern vor allem auch viel Gebet und Opfer. Aber wenn wir uns darin befleißigen, dürfen wir auch auf die trostreiche Verheißung unseres göttlichen Erlösers vertrauen: “Seht, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt” (Mt 28,19f)!


P. Eugen Rissling


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