Katholische Kirche in Russland

(Teil IV - nach 2005)  In drei früheren Ausgaben unserer Zeitschrift “Beiträge” haben wir bereits Berichte über die Geschichte der katholischen Kirche in Russland veröffentlicht, die über Ereignisse bis 2005 handelten. Seitdem gab es im russischen Katholizismus einige Veränderungen, die hauptsächlich auf die zweite Hälfte des Jahres 2007 und die erste Hälfte des Jahres 2008 fielen.
Es ist ja allen bekannt, dass zu den Hauptzielen des “Pontifikats” Johannes Pauls II. die ökumenische Bestrebung um die Einheit aller Religionen - praktisch um jeden Preis - gehörte. Allerdings wurde der Dialog mit der russische-orthodoxen Kirche durch den Umstand ernsthaft belastet, dass der “Papst”, der doch ein Pole war, sehr wohlwollend seinen Landsleuten innerhalb des russischen offiziellen Katholizismus gesonnen war, die da viele Schlüsselpositionen besetzten. So rief allein schon das Vorhandensein einer katholischen Hierarchie als solcher in Moskau den Widerspruch der Orthodoxen im allgemeinen hervor, im besonderen dann die Ernennung eines Polen auf den Moskauer Bischofssitz. Ungeachtet dieses Umstandes, welcher sehr die Verhandlungen zwischen Rom und Moskau belastete, konnte der “Papst” Wojtyla der polnischen “Partei” innerhalb des russischen Katholizismus nicht seine Unterstützung versagen. Ein solches Opfer konnte nicht einmal im Namen des Ökumenismus dargebracht werden!
Der Höhepunkt dieser ernsthaften Differenzen wurde dann 2002 erreicht, als Johannes Paul II. die Apostolische Administratur (wie sie zuvor hieß) gleich in eine Erzdiözese umwandelte - unter der Leitung des in Weißrussland geborenen Polen Tadeusz Kondrusiewicz und sogar ohne das Wissen der Römischen Kurie.
Also bremste der Dialog mit der Moskauer Patriarchatskirche ungeachtet der weltweiten ökumenischen Politik des “Papstes” Wojtyla. Übrigens sollte man vermerken, dass die Geistlichkeit und die Laienschaft innerhalb dieser Moskauer Patriarchatskirche (mit Ausnahme einer kleinen Zahl der Bischöfe) praktisch überhaupt nicht an irgend einem Ökumenismus interessiert sind. Das Ziel ihrer Gespräche mit Rom sehen sie vor allem darin, dass der von ihnen so bezeichnete Proselytismus des modernen Vatikan auf dem Territorium Russlands beendet werde.
Und dann kam es im April 2005 im Vatikan zu einer Wachablösung (Tod Johannes Pauls II. und Wahl Benedikt’ XVI. - Anm. der Red.), welche neue Möglichkeiten für den Dialog mit der ROK (russisch-orthodoxen Kirche) öffnete. Jetzt verlor die polnische “Partei” innerhalb des russischen Katholizismus ihren Gönner, und die ROK sah die Chance, die Polen in der Leitung des russischen Katholizismus absetzen zu lassen und damit verbunden zu versuchen, die Tätigkeit offizieller katholischer Strukturen in Russland überhaupt größtmöglichst herunterzufahren.
Und so seltsam es auch erscheinen mag, aber als der Hauptverbündete der Orthodoxen bei der Umsetzung dieser Beschlüsse ins Leben erwies sich der päpstliche Nuntius “Erzbischof” Antonio Mennini. Denn nämlich er führte Verhandlungen mit der Leitung der ROK und brachte “Papst” Benedikt XVI. die Forderungen der Orthodoxen zur Kenntnis. Damit der ökumenische Dialog fortgesetzt werde, verlangte die ROK: 1) dass Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz aus Russland wegkommt (der übrigens ein Bürger der Russischen Föderation ist); 2) dass an seine Stelle unbedingt ein ausländischer Staatsbürger ernannt werde (was unterstreichen würde, dass Katholiken in Russland Ausländer seien; außerdem bedeutete dies, dass die weltliche Macht den neuen Erzbischof besser kontrollieren könnte, da man ihn als einen Ausländer jederzeit sogar ohne die Bekanntgabe eines offiziellen Grundes des Landes verweisen könnte), aber nur kein Pole; 3) dass bestimmt werde, dass der neue Erzbischof den größten Teil seiner Arbeit außerhalb Moskaus verrichtet.
Alle diese Forderungen wurden von Rom angenommen. Damit aber der Schein des elementaren Anstandes gewahrt bleibe, wurde nach folgendem Szenario gespielt. Bereits im Jahr 2006 wurde der neunzigjährige “Erzbischof” von Minsk (Weißrussland) Kazimierz Swiatek in den Ruhestand geschickt. Dann hatte man sich mit den Behörden Weißrusslands und Russlands abgesprochen. Und am 21.09.2007 wurde dann offiziell bekanntgegeben, dass Tadeusz Kondrusiewicz nun den Bischofsstuhl von Minsk besetzen werde. Und an seine Stelle in Moskau wurde der italienische “Priester” Paolo Pezzi ernannt, welcher bereits zuvor in Russland, als Rektor des Priesterseminars in Sankt Petersburg, gewirkt hatte. Und nachdem er seine Ernennung auf den Moskauer Bischofsstuhl erhalten hatte, erklärte der neue “Erzbischof”, dass er seine Arbeit als Rektor des Seminars in Sankt Petersburg nicht aufgeben werde, was selbstverständlich automatisch dazu führen würde, dass er den größten Teil seiner Zeit eben in Sankt Petersburg verbringen werde - nicht in Moskau. Auf diese Weise wurden alle Forderungen der ROK erfüllt!
Der neue “Erzbischof” übernahm sein Amt im Oktober 2007. Dies wurde sogar in den am meisten modernistischen Kreisen Moskaus von ernsthaften Unruhen begleitet. P. Pezzi hat sich nämlich extrem scharf als der absolut neue Kirchenführer positioniert, welcher praktisch durch überhaupt nichts mit dem vorherigen “Erzbischof” und dessen Tätigkeit verbunden sei. Es kam sogar zur klaren Verletzung des Kirchenrechts. Nach diesem Recht sollte der neu ernannte Bischof dem Diözesanrat seine Unterlagen vorlegen, welcher dann ein entsprechendes Protokoll darüber aufsetzt, dass halt alles in Ordnung sei. Und danach tritt der Bischof ins Amt ein.
“Erzbischof” Pezzi aber hielt es, als Günstling der päpstlichen Nuntiatur, gänzlich nicht für notwendig, einen Rat einzuberufen, welcher sich aus Personen zusammensetzte, die T. Kondrusiewicz nahestanden. Als aber dann die örtliche Kurie ihn am Tag seiner “Bischofsweihe” nach der Zeremonie darauf hinwies, dass halt das entsprechende Protokoll des Diözesanrates fehlt, schwang er nur die Hand - findet halt diese Ratsmitglieder und lasst sie unterschreiben, was man braucht. Als Antwort auf einen solchen Umgang (mit ihnen) haben noch an demselben Tag bis zu zwanzig modernistische “Priester” in Moskau dem “Erzbischof” gegenüber ihre Absicht bekundet, ihren Dienst in der Moskauer Erzdiözese einzustellen.
Zu einem der ersten “Siege” des neuen Erzbischofs über den “katholischen Proselytismus” zugunsten des Ökumenismus ist die Schließung und die Liquidierung der einzigen in Russland (seit 1994 existierenden) katholischen Zeitung “Licht des Evangeliums” zu zählen, welche sich großer Popularität unter den örtlichen Katholiken erfreute. (Diese Zeitung konnte bald nach dem Fall der UdSSR und der Beendigung der Verfolgung der Kirche seitens des Staates ins Leben gerufen werden. Zahlreiche Briefe empörter Leser erhielten keine Antwort. Der “Erzbischof” bemühte sich nicht einmal, irgendeinen, wenn auch nur erfundenen, Grund zur Schließung auszudenken. Denn zur Hauptidee, welche von ihm nach dem Befehl von Nuntius A. Mennini ins Leben umzusetzen sei, wurde der Grundgedanke, dass es nämlich russische Katholiken nicht gibt, nicht geben kann und überhaupt nicht geben darf! (Die in Russland lebenden Katholiken seien halt die aus verschiedensten Gründen nach Russland eingereisten Ausländer!) Also wird eine russische katholische Zeitung von niemand gebraucht und kann auch nicht von irgend jemand gebraucht werden.
Um diese These von den russischen Ausländer-Katholiken zu unterstreichen, lehnte “Erzbischof” P. Pezzi ab, sogar während seiner ersten im neuen Amt begangenen Osterfeiertage 2008 in der Kathedralkirche von Moskau zu zelebrieren, und zog es statt dessen vor, eine “Osterreise” nach Deutschland zu unternehmen. In der Kathedrale vertrat ihn zu dieser Zeit Nuntius A. Mennini, was überdeutlich unterstrich, dass die Katholiken in Russland Ausländer seien und ihr Hirte ein Diplomat aus dem Vatikan sei.
Im Unterschied zu seinem Vorgänger, dem Metropoliten T. Kondrusiewicz, lehnte es P. Pezzi entschieden ab, als Metropolit tituliert zu werden (obwohl er diesen Titel formal, gleich wie T. Kondrusiewicz, immer noch führt). Statt dessen zieht er es vor, “Erzbischof” genannt zu werden, was ja die Orthodoxen nicht so stark ärgert.
Aber trotz dieser Verneigungen in Richtung des Moskauer Patriarchats erhielten die modernistischen Kirchenführer eine Dankbarkeit, die ihrer Handlungen würdig ist. Die ROK verlangte nun vom Vatikan öffentlich, die im Jahre 2002 errichteten Diözesen abzuschaffen und ihnen wieder (lediglich) den Status einer Apostolischen Administratur zukommen zu lassen. Zur Zeit zerbricht man sich im Vatikan den Kopf, wie man diese nächstfolgende “Bitte” erfüllen könne, wobei es allerdings wieder elegant aussehen sollte.
Ungeachtet der ständig neuen Forderungen der Moskauer Patriarchatskirche wird die ökumenische Linie des Nuntius A. Mennini als die allerrichtigste und am meisten fruchtbringende angesehen. (Obwohl als einziges Resultat der Zerdrückung russischer Katholiken die Entscheidung erscheint, dass “Erzbischof” Pezzi bei einer Zelebration des Patriarchen Alexej II. anwesend sein und nach dessen Ende zum ihm hinzutreten und ihm die Hand küssen durfte.) Im Zusammenhang mit diesem außergewöhnlichen Erfolg wird in höchsten modernistischen Kreisen beharrlich davon gesprochen, der sehr talentierte Diplomat-Ökumeniker A. Mennini solle bald im Vatikan den deutschen “Kardinal” Walter Kasper auf dem Posten des wichtigsten kurialen Ökumenisten ersetzen und dann auch Kardinalsinsignien erhalten.
Aber ein solcher ökumenischer “Triumph” des Vatikan führte viele Katholiken aus den offiziellen modernistischen Strukturen in Russland in eine äußerst deprimierende Lage hinein. Denn ausgerechnet sie wurden dem ökumenischen Dialog zum Opfer gebracht - man entzog ihnen faktisch das Existenzrecht. “Ein Russe muss ein Orthodoxer sein! Ein Russe darf kein Katholik sein!” Jetzt will dies nicht nur die Moskauer Patriarchatskirche erreichen, sondern auch die offizielle katholische Hierarchie in Russland, die dazu den Segen des Vatikan erhält. Diesem dunklen Bild des offiziellen russischen Katholizismus fügte ihre schwarze Farbe auch die Priesterbruderschaft St. Pius X. hinzu. Denn am 10. Februar 2008 erklärte deren bisheriger Priester in Moskau seiner kleinen Gemeinde, dass die Priesterbruderschaft ihre Kapelle in Moskau schließt. An demselben Tag wurde der Altar auseinander genommen und der Tabernakel nach Weißrussland transportiert, wo es noch eine Gemeinde dieser Gemeinschaft gibt. Es wurden keine vernünftigen Gründe der Kapellenauflösung angegeben. Und einem seiner bisherigen Gemeindemitglieder sagte der betreffende Priester auf die Frage, was denn die Gläubigen jetzt machen sollten, sie mögen in den offiziellen Kirchen zur “neuen Messe” gehen.
Allerdings kam es noch im Jahre 2007 zu einem “geheimen” Treffen dieses Priesters mit dem Moskauer “katholischen Erzbischof”, wobei keine Ergebnisse dieser Gespräche bekanntgegeben wurden. Man kann nur vermuten, dass man diesem Priester vorgeschlagen hat, seinen Beitrag zur Politik des Ökumenismus zu leisten. Dann hätte er dies einige Monate später auch getan. Ein bekannter russischer Fernsehmann hätte dazu gesagt, dass dieser Priester leise zum Erzbischof-Ökumenisten herangekrabbelt und dann ihm eben willfährig geworden wäre. Aber dies ist nur eine Vermutung.
Auf diesem düsteren Hintergrund haben jene Ereignisse, die sich im April 2008 in unserer Gemeinde vollzogen, einen starken Eindruck auf die Moskauer Katholiken gemacht - die einen wurden in ihrer Treue zur katholischen Tradition bestärkt und die anderen, die immer noch ihre “Treue” zum Priester Ratzinger und Bischof Felley bekunden, hoffentlich zum Nachdenken veranlasst. Denn am 7. April dieses Jahres hat Seine Exzellenz Bischof Mark A. Pivarunas in Omaha im Bundesstaat Nebraska, USA den Herrn Alexander Kryssov zum Subdiakon und am 15. April dann zum Diakon geweiht.
Ende April besuchte dann der deutsche Priester P. Johannes Heyne Moskau. Seitdem wird hier zum ersten Mal seit Bestehen unserer Gemeinde das Allerheiligste Altarsakrament aufbewahrt, so dass alle deren Mitglieder nun, da ja auch ein Diakon zur Stelle ist, jeden Sonntag kommunizieren können. Ebenfalls zum ersten Mal gibt es nun in unserer Gemeinde jeden Sonntag eine katholische Predigt zu hören. Allem Anschein nach wird es in Moskau in der nächsten Zeit auch einen ständigen Priester geben, welcher sich - ohne Rücksicht auf den modernistischen Vatikan! - der Verkündigung des wahren katholischen Glaubens in Moskau und Russland widmen wird.
Die Tatsache dieser Diakonatsweihe machte wohl doch einen starken Eindruck, und die Reaktion folgte unverzüglich. “Erzbischof” Pezzi beeilte sich, noch in demselben April einen Beschluss zu fassen, wonach ein älterer Priester (Weihejahrgang 1959) verpflichtet wurde, an einem jeden ersten Sonntag eines Monats die Messe nach dem Missale von 1962 in der Krypta (!) der Kathedralkirche zu feiern. Wobei derselbe “Erzbischof” noch im März desselben Jahres in einem Privatgespräch erklärt hatte, er werde die alte Messe in seinem Einflussbereich niemals zulassen, weil sie ja für nichts von Nutzen sei. Nun, seine Absicht ist offenkundig. Jetzt zeigt nur die Zeit, ob und gegebenenfalls wie schnell der Personenkreis, der der Wunsch nach einer solchen Messfeier geäußert hatte, diese Falle durchschaut, wohin sie die modernistische “Geistlichkeit” hinein lockt.
Wir aber wollen unsere Mission fortsetzen und warten nun auf die Priesterweihe unseres zukünftigen ständigen Priesters. Außerdem bemühen wir uns, unsere Kapelle trotz der extrem wachsenden Preise in Moskau zu erhalten. Denn sie ist das einzige katholische Haus Jesu Christi in Moskau und Russland geblieben, in welchem nun Er selbst im Altarsakrament anwesend ist, in welchem alle willkommen sind, die die Katholische Wahrheit erkennen wollen, in welchem auch alle Russen insofern frei die katholische Glaubenswahrheit bekennen können, dass sie nämlich katholisch werden. Denn in der katholischen Kirche “gilt nicht mehr Jude oder Grieche. ... Ihr seid alle einer in Christus Jesus” (vgl. Gal 3,28f)!

Diakon Alexander Kryssov
(Übersetzung von P. Eugen Rissling


 

 

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