Was ist Autorität? 

Teil 1

Einleitung

Durch die kirchliche Krise der heutigen Zeit werden Fragen aufgestellt und Problemfelder aufgetan, mit denen man sich in der katholischen Kirche seit einigen Jahrhunderten nicht mehr so intensiv beschäftigt hatte bzw. unbedingt so intensiv beschäftigen mußte. Es ist ja sonst auch in anderen Lebensbereichen so, daß oft erst der aktuelle Anlaß die verstärkte Beschäftigung mit einer bestimmten Problematik mit sich bringt. Wir intensivieren unsere Anstrengungen zur Lösung einer Frage, wenn diese uns lebensmäßig betrifft. Man läßt auch die übrigen Fragen und Probleme nicht ganz aus den Augen, aber solange wir von ihnen nicht unmittelbar betroffen sind, schenken wir ihnen nicht unsere ganze Aufmerksamkeit. 

Zu solchen heute besonders aktuell gewordenen Problemfeldern gehört die Frage nach dem Sinn und dem Wesen einer kirchlichen Autorität. Zwar gab es sie in der Kirche zu jeder Zeit, da die von Jesus Christus gestiftete katholische Kirche ihrem Wesen nach eine hierarchische Struktur aufweist. Nur hat man sich - es ist verständlich, warum - besonders zu Zeiten entsprechender historischer Auseinandersetzungen verstärkt gefragt, unter welchen Umständen ein kirchlicher Hierarch seine ihm verliehene Autorität beibehält oder eventuell auch verliert. 

Als seit dem Anfang des 4. Jahrhunderts nach Christus in der Kirche große theologische Kämpfe ausgebrochen waren und zahlreiche Bischofsabsetzungen (berechtigt oder unberechtigt) durchgeführt wurden, war diese Frage mehr als aktuell geworden. So wurde z.B. der hl. Athanasius sogar fünfmal von seinem Bischofsstuhl von Alexandrien abgesetzt und in die Verbannung geschickt. Im Mittelalter gab es jahrhundertelang leidvolle und unselige Streitigkeiten über verschiedenste Differenzpunkte zwischen dem Papst und dem Kaiser, zwischen den Bischöfen und den weltlichen Fürsten. Da mußte die Frage nach der Autorität, auch nach der kirchlichen Autorität, aus aktueller Veranlassung gestellt und beantwortet werden. Da die heutige kirchliche Krise auch eine Krise der Hierarchie ist (sie hat in den letzten Jahrzehnten so oft versagt), bietet sie - so traurig der Anlaß - auch uns die Möglichkeit, die ganze Thematik von Grund auf aufzuarbeiten, damit so für uns erneut volle theologische Klarheit geschaffen, legitime und sachgemäße Lösungen gefunden und eventuelle Fehlentwicklungen in der Zukunft möglichst vermieden werden können. Die Quelle und der Urheber der kirchlichen Autorität, ja jeglicher Autorität, ist Jesus Christus selbst. Er stattete Seine Apostel mit weitreichenden Vollmachten aus, u. a. auch mit der Vollmacht, in Seinem Namen die Kirche zu lenken und zu leiten. Diese Leitungsgewalt wurde (neben der Weihegewalt) von den Aposteln auf andere Hirten der Kirche rechtmäßig übertragen. Und so nach und nach bis ins 20. Jahrhundert hinein. Wir wollen uns an dieser Stelle nun überlegen, was genau die kirchliche Autorität beinhaltet und welchem Zweck sie dient. Diese Überlegungen wollen wir dann auch auf die aktuelle miserable kirchliche Situation anwenden. 

Um jeglichem Mißverständnis vorzubeugen, sei noch gesondert darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht um die sakramentale Weihegewalt der Bischöfe und Priester handelt, die durch das Sakrament der jeweiligen Weihe vermittelt wird, sondern um die Vollmacht, die streitende Kirche in doktrineller, pastoraler (und administrativer) Hinsicht zu führen. Dabei wollen wir natürlich keinesfalls leugnen, daß das Lehr- und Hirtenamt wesentlich mit dem Priesteramt der Kirche in enger Verbindung steht. 

 

Petrus der Fels

Wir alle kennen jene Stelle in der Heiligen Schrift (Mt 16,13-19), in der dem hl. Apostel Petrus die oberste Leitungsgewalt über die Kirche anvertraut wurde. Der Herr befragte Seine Jünger in der Gegend von Cäsarea Philippi, für wen Ihn die Menschen halten. (Der Evangelist Matthäus konnte noch ziemlich genau den Ort angeben, an dem sich dies zutrug.) Damit wollte Er natürlich keine Meinungsforschung im Sinne einer statistischen Befragung anstellen, Christus ging es letztendlich darum, das richtige Verständnis Seiner eigenen Person von falschen Auffassungen abzuheben. 


Aus der Antwort der Apostel erfahren wir, daß Er von Seinen Zeitgenossen entweder für Johannes den Täufer, für Elias, für Jeremias oder für sonst einen der Propheten gehalten wurde. „Diese Aufzählung zeigt, in welche Größenordnung man Jesus einreihte. Es ist fast die höchste, die man im Denken Israels hatte. Nur noch eine Steigerung war möglich, nämlich die Person und Ankunft des Messias Gottes selbst. Alle genannten Personen sind vormessianische und untermessianische.“7 

„´Ihr aber, für wen haltet ihr Mich?´ Simon Petrus gab zur Antwort: ´Du bist Christus (d.h. der Gesalbte = Messias), der Sohn des lebendigen Gottes.“ Mit diesem feierlichen Bekenntnis bekundete Petrus im Namen der Apostel deren Glauben an die Gottessohnschaft und somit auch an die Gottheit Jesu Christi! Denn der Glaube an die Gottessohnschaft unseres Herrn bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als in Ihm den wahren Gott zu sehen. Nicht umsonst regten sich die Juden riesig auf und „trachteten Ihm erst recht nach dem Leben, weil Er nicht bloß den Sabbat brach, sondern auch Gott Seinen Vater nannte und damit sich Gott gleichstellte“ (Joh 5,18). In diesem Bekenntnis Petri an die Gottheit Jesu Christi ist keimhaft auch der gesamte Glaube an das Erlösungswirken unseres Herrn mitenthalten, denn mit der Gottheit Christi steht und fällt die ganze Erlösung! Als bloßer Mensch - sei es eine noch so große und angesehene Gestalt - kann niemand die gefallenen Menschen vom Fluch der Sünde erlösen und mit Gott versöhnen. Nur wenn Er selbst (als Gottmensch) ins Weltgeschehen eingreift, kann von einer eigentlichen Erlösung gesprochen werden, nur Gott (!) kann den Schaden beheben, den der Mensch durch seinen Ungehorsam angerichtet hat. 

In der frühen Kirche wurde auf das Bekenntnis der Gottessohnschaft Jesu Christi hin die christliche Taufe gespendet. So taufte auch Philippus einen Äthiopier, einen Kämmerer und Würdenträger der Königin Kandake von Äthiopien (vgl. Apg 8,26-39). Bezeichnenderweise ist er bei der mit dieser Taufspendung in Verbindung stehenden Verkündigung der Frohen Botschaft von jener Schriftstelle aus dem Buch des Propheten Isaias (Is 53,7f.) ausgegangen, in der unter deutlicher Anspielung auf den leidenden und stellvertretend sühnenden Messias die Rede von einem Schaf ist, das zur Schlachtbank geführt wird, und vom Lamm, das vor seinem Scherer verstummt. An der Frage, wer Er ist, an der Frage nach der Gottessohnschaft und Gottheit Jesu Christi hängt die ganze Erlösung und der gesamte christliche Glaube! 

Auch wenn der Glaube der Apostel nach ihrem feierlichen Bekenntnis zum Sohn Gottes noch eine Zeit lang oft klein und schwach war, ist es von ihnen dennoch abgelegt worden. Das weist darauf hin, daß dieser Glaube bei ihnen wenigstens in seinen Anfängen vorhanden war, sie waren bereits auf dem Weg zum vollen Glauben, den sie dann später durch ihre apostolische Tätigkeit und sogar durch ihr eigenes Leben unter Beweis gestellt hatten! 

Auf dieses Glaubensbekenntnis des Petrus hin folgt nun die Verheißung des Herrn. „Da sagte Jesus zu ihm: ´Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas! Denn nicht Fleisch und Blut (d.h. das rein irdische Vermögen des schwachen Menschen - Anm. des Autors) hat dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und Ich sage dir nun: Du bist Petrus. Auf diesem Felsen will Ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was immer du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was immer du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.´“ Der Apostel, dessen Name Simon lautet, bekommt als Amtsbezeichnung den Beinamen „Petros“, was in der griechischen Übersetzung des aramäischen „Kepha“ „Felsen“ bedeutet. „´Du bist Petrus´ heißt nicht in erster Linie, daß Petrus diesen Namen erhält, sondern daß er Felsen ist oder sein soll, daß es seine Funktion und sein Auftrag ist, Fels zu sein. Felsen nennt das Alte Testament, besonders das Psalmenbuch, gern Gott selbst. Gott ist der Felsen Israels, seine „Burg“, der sichere Halt, das dauernde Fundament, Unterpfand der Treue und Beständigkeit. Zum Felsen kann man seine Zuflucht nehmen, wenn das Unwetter hereinbricht und das Wasser ins Tal schießt, oder wenn der Feind die Täler besetzt hat und nur die Flucht zur hochgelegenen Felsenburg bleibt. Fels ist ein geprägter Ausdruck, wie „Hirt und Herde“, „Ernte“ und „Bund“. Die Sicherheit und Beständigkeit eines Felsenfundamentes soll von diesem Menschen Simon dargestellt werden.“8


Daraus wird ersichtlich, daß „Petrus“ nicht ein fertiger Privatname für diesen Apostel oder eventuell eine persönliche Auszeichnung für etwas bereits Geleistetes ist. Dieser Beiname wird ihm nicht zum Selbstzweck verliehen, er hat funktionale Bedeutung. Simon wird „Petrus“ genannt, weil er sich als solcher Felsen (im Sinne und in der Intention Christi!) ständig erweisen soll. „Fels“ zu sein, ist die vornehmlichste Funktion und Aufgabe Petri, es ist ein Auftrag, der an ihn von Christus ergeht, und als solcher „Felsen“ soll er sich u. a. auch immer wieder bewähren. „Fels“ ist eine zutreffende, wohl die zutreffendste Amtsbezeichnung für den Apostel, die uns das Verständnis dieses apostolischen Amtes verdeutlicht. Simon ist nicht „Petrus“ im Sinne von etwas, was endgültig fertig und in statischer Unbeweglichkeit abgeschlossen ist. Die Funktion Petri, Fels zu sein (!), öffnet einen Raum für einen Prozeß der Bewegung, der geistigen Tätigkeit,9 und ist auf die Zukunft, auf ein geistiges Werden ausgerichtet! 

 

Der Zweck und die Schranken der Autorität

Gewaltig sind die Vollmachten des Simon Petrus, denn er besitzt „die Schlüssel des Himmelreiches“! Aufgrund seiner Binde- und Lösegewalt kann er durch seine Entscheidungen „auf Erden“ bestimmen (oder besser: mitbestimmen), was „im Himmel“ Geltung hat. (In Mt 18,18 überträgt Christus diese Binde- und Lösegewalt auch den übrigen Aposteln.) Nur sind ihm diese Vollmachten weder nur um dieser Vollmachten noch um seiner eigenen Person willen übertragen worden. Es ist nicht so gedacht, daß Petrus (und die Hirten der Kirche) sich ihrer als Privatmann erfreue. Nein, die Binde- und Lösegewalt ist nicht absolut, sie soll im Dienste von etwas stehen, sie soll für eine bestimmte Sache sein, sie bedeutet eine Aufgabe, die erfüllt werden will. Dementsprechend ist auch die Autorität Petri nicht eine völlig unumschränkte. Sie hat einem ganz besonderen Zweck zu dienen und muß also in entsprechender Weise begrenzt sein. 

Bei der Verheißung der „Schlüssel des Himmelreiches“ erwähnt Jesus auch zugleich, wofür und um wessen willen Simon dieser „Petrus“ sein soll. Der Herr sagt, daß Er sich Seine (!) Kirche erbauen will. Der im Evangelium für „Kirche“ verwendete Ausdruck „Ekklesia“ besagt, daß es sich dabei um lebendige Menschen handelt. Dieser Terminus bedeutet übersetzt zunächst „Versammlung“, dann aber im besonderen die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde und damit die Gemeinde Gottes überhaupt. Mit Hilfe und mittels des obersten Hirtenamtes Petri soll die Kirche Jesu Christi („Meine Kirche“!) auferbaut werden. Somit steht die petrinische Autorität im Dienste unseres göttlichen Erlösers und Seiner Kirche! 

Sehr aussagekräftig ist der Bericht des hl. Apostels Johannes von der Übertragung der obersten Hirtengewalt an Petrus (vgl. Joh 21,15-17). Nach Seiner Auferstehung erschien Jesus den Aposteln am See Tiberias (=Genezareth). Da sie gerade beim Fischen waren und bislang nichts fangen konnten, befahl ihnen Jesus, den sie zuerst nicht erkannt hatten, das Netz zur Rechten des Bootes auszuwerfen. „Sie warfen es aus und vermochten es vor der Menge der Fische nicht mehr heraufzuziehen“ (Joh 21,6). Durch seine Unterhaltung mit Petrus, die nach der daraufhin folgenden gemeinsamen Mahlzeit mit den Aposteln am Ufer des Sees stattfand, wollte ihnen Jesus wohl die tiefe geistige Bedeutung des gerade erzielten Fischfanges (und ihres Amtes als Hirten der Kirche!) erläutern. Er richtete dreimal an Petrus die Frage, ob er Ihn liebe. Und ebenfalls dreimal beantwortete Petrus diese Frage bejahend. Und jedes Mal fügte Jesus nach der Antwort noch hinzu: „Weide Meine Lämmer “ (bzw. “Schafe“)! Die Aufgabe Petri besteht somit in der Sorge um die Schafe Christi, dafür ist sein Amt da! Die kirchliche Autorität hat letztendlich der gesamten Kirche, dem geistigen Wohl aller Gläubigen zu dienen, und nicht steht die Kirche im Dienst der Autorität oder sogar der jeweiligen Autoritätsinhaber! Solcher Mißbrauch wäre eine grobe Pervertierung der damit verbundenen Absicht Jesu Christi. Wie oft wird in der Praxis übersehen, daß die Autorität um der Kirche willen vorhanden ist und nicht umgekehrt. Durch seinen Dienst an der ihm anvertrauten Herde kann Petrus seine Liebe zu seinem Herrn unter Beweis stellen: „Wenn du Mich liebst, dann übernimm die Führung der Brüder und zeige jetzt dadurch die glühende Liebe, ... der du dich gerühmt hast, und gib dein Leben, das du für Mich geben zu wollen erklärt hast, nun für Meine Schafe. ... Dreimal fragt der Herr und dreimal gibt Er den Auftrag, um zu zeigen, wie hoch Er die Sorge für Seine Schafe stelle, und daß darin der größte Erweis der Liebe zu Ihm bestehe“ (Johannes Chrysostomus, Kommentar zum Johannesevangelium, Ho. 88). 

Dabei handelt es sich um die Schafe Christi, sie sind letztendlich allein Sein Eigentum! Somit muß die Sorge des Apostels ihnen gelten und zudem auch noch eine völlig uneigennützige sein: „Was heißt das: ´Liebst du Mich? Weide Meine Schafe´, anderes, als wenn gesagt würde: ´Wenn du Mich liebst, denke nicht daran, dich zu weiden, sondern Meine Schafe weide als die Meinen, nicht als die deinen. Meine Ehre suche in ihnen, nicht die deine. Meine Herrschaft, nicht die deine. Meinen Gewinn, nicht den deinen´“ (Augustinus, tr. 123). „Den Lehrern des Glaubens geht aus der Betrachtung dieser Stelle auf, daß sie nicht anders dem Erzhirten Christus gefallen können, als wenn sie Sorge tragen für die Kraft und das dauernde Wohlbefinden ihrer geistlichen Herde. So war der selige Paulus, der mit den Schwachen schwach war und als den Ruhm seines Apostolates und dessen Freude und Krone die nannte, die durch ihn zum Glauben gekommen waren“ (Cyrill v. Alex., Kommentar zum Johannesevangelium 12,1). 

Simon Petrus soll für die Schafe sorgen. Und diese Fürsorge besteht darin, daß er in der Ausübung seines Amtes zum Aufbau des Leibes Christi beiträgt. Zwar ist der göttliche Meister selbst der eigentliche „Hirte und Bischof“ der Seelen (1 Petr 2,25) und die einzige Quelle aller Gnaden; bei Seiner Hirtentätigkeit unter den Erdbewohnern ist Er allerdings auf die Mitwirkung jener Seiner Jünger angewiesen, denen Er Anteil an Seinem Hirtenamt verliehen hatte. Das ewige Heil und das geistige Wohlergehen der Völker sollen Petrus allein schon von Amts wegen am Herzen liegen (vgl. den Missionsbefehl). Die ganze Kraft des Apostels muß daher dem tatkräftigen Interesse gelten, die ihm anvertrauten Schafe zum lebendigen Glauben und zur inneren Gemeinschaft mit dem gemeinsamen „guten Hirten“ (Joh 10,11) zu führen. Der ganze Sinn seines verantwortungsvollen Amtes besteht also darin, daß er die Menschen zu Christus führt. 

Und bei diesem Glauben, der die Gemeinschaft mit dem göttlichen Erlöser vermittelt, kann es sich wohlbemerkt nur um denselben lebenspendenden Glauben handeln, zu dem Simon Petrus sich in Cäsarea Philippi selbst bekannt hatte. Die Seelen sollen zu Christus nicht wie zu einer irgendwie unklaren und verschwommenen Größe geführt werden, von der man nicht genau sagen könnte, wer sie sei. Es genügt nicht, zwar von Christus zu reden, aber auf der anderen Seite Ihn nicht als den anzuerkennen, als der Er sich im Evangelium geoffenbart hatte. Die Menschen sollen zum umfassenden Glauben an die Gottheit Jesu und an Sein stellvertretendes Erlösungswerk (samt aller daraus resultierenden Konsequenzen) kommen, zum Glauben, der konzentriert in dem kurzen Bekenntnis enthalten ist: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ 

Da die Verheißung vom Felsenfundament an Petrus aufgrund seines eigenen Glaubensbekenntnisses ergangen ist, hat auch sein apostolisches Amt wesentlich mit diesem von ihm abgelegten Glauben an die Gottheit und das Erlösungswirken unseres Herrn zu tun. Denn Petrus soll ja gerade ein Zeuge und ein Garant für diesen Glauben und nicht für etwas anderes sein, er hat allein diesen Glauben zu lehren: zu begründen, zu verbreiten und zu verteidigen! Wenn Petrus daher einen anderen Glauben predigen sollte, als „Christus, den Gekreuzigten“, wenn er nicht den vollen katholischen Glauben lehren sollte, dann handelt er gegen sein Amt als „Fels“ und als Hirte der Schafe Christi. Bei der Verkündigung einer Lehre, die im Widerstreit zum göttlich geoffenbarten Evangelium unseres Herrn steht, kann sich der Apostel grundsätzlich nicht auf die ihm verliehene Autorität Christi berufen! „Die Gottesgemeinde Israels soll erbaut werden, aber in ganz neuer Weise. Diese neue Weise des Erbauens kommt in dem Wörtchen meine zum Ausdruck. Nicht die alte Gemeinde Jahwes, sondern die neue Gemeinde des Messias. Das Unterscheidende zur alten wird darin bestehen, daß sie sich zu Jesus dem Messias bekennt und durch dieses Bekenntnis geeint ist. An Ihm und Seiner Person, Seiner Würde als Sohn Gottes, wird die Entscheidung fallen, wer zu dieser Gemeinde gehört und wer nicht.“ 

Eine weitere Einschränkung erfährt die apostolische Autorität durch den Umstand, daß sie notwendigerweise nur innerhalb eines bestimmten, von Christus gesetzten Rahmens Geltung besitzt! Darüberhinaus kann sie nicht mehr rechtens beansprucht werden. Sonst würden die kirchlichen Amtsträger den Auftrag verkennen, der ihnen gegeben wurde, und könnten nicht mehr im Namen und in der Intention des göttlichen Auftraggebers tätig werden. Da die Vollmachten Petri (und der Apostel) im Dienste des wahren Glaubens und der katholischen Kirche stehen, können sie rechtmäßig nur innerhalb dieses Rahmens eingesetzt werden. Darüberhinaus erlischt sie automatisch. Daher erstreckt sich die kirchliche Autorität (nur) auf das Gebiet der Glaubens- und Morallehre (den administrative Bereich miteingeschlossen). Die Hierarchie der Kirche kann sich dementsprechend in Fragen anderer Wissenschaften (Physik, Biologie, Mathematik, Astronomie usw.) nicht mit dem Verweis auf ihre apostolische Binde- und Lösegewalt und mit der Verpflichtung auf den Gehorsam seitens der Gläubigen äußern. Bezeichnenderweise macht die Bibel z.B. über physikalische oder medizinische Vorgänge nie eine Aussage im naturwissenschaftlichen Sinn. Im Hinblick auf diese Vorgänge geht es ihr in allem nur um die religiöse Aussage, die sie darin berechtigt zu sehen glaubt.

 

P. Eugen Rissling


 


7Trilling, Wolfgang, Das Evangelium nach Matthäus. Patmos Verlag Düsseldorf 1965, 2. Teil, S. 92f.
8Trilling, ebd., S. 95
 

 

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