Das Blut des Bundes


Biblischer Hintergrund

In Fortführung unserer Ausführungen über die Liturgie wollen wir heute über ein Thema sprechen, das wesentlich für das Verständnis der Heiligen Messe ist. Es ist der Gedanke des Bundes. Im Alten Testament wird die Beziehung Gottes zum Volk Israel häufig als eine Ehe, als ein Bund gesehen. Besonders bei den Propheten ist dieser Gedanke vorherrschend. Hält das Volk die Treue zu Gott, ist es „Gemahlin“, an der Gott „sich erfreut wie der Bräutigam an der Braut“ (vgl. Is 62,4f.). Bricht aber Israel die Treue, dann wird es als ein Ehebrecher bezeichnet (vgl. Jer 9,1; 23,10; Os 4,1).

Dieser Bund zwischen Gott und Israel ist im dritten Monat nach dem Auszug aus Ägypten am Berge Sinai geschlossen worden. Gott sprach zu Moses: „Künde folgendes ... den Söhnen Israels: Ihr habt gesehen, wie Ich mit den Ägyptern verfuhr, wie Ich euch mit Adlersflügeln trug und euch hierher zu Mir brachte. Wenn ihr nun treulich auf Mein Wort hört und Meinen Bund haltet, so sollt ihr unter allen Völkern Mein besonderes Eigentum ... und ein heiliges Volk sein“ (Ex 19,3-6). Moses teilte diese Worte, die er allein auf dem Berge vernahm, dem unten wartenden Volk mit, das „einstimmig antwortete: ´Alles, was der Herr befiehlt, wollen wir tun!´“ Nachdem dem Volk am dritten Tag darauf die Zehn Gebote und einige sonstige Anordnungen überbracht wurden, gab es wiederum seine Zustimmung dazu: „Alle Gebote, die der Herr gegeben hat, wollen wir befolgen“ (Ex 24,3). Daraufhin mußten noch Rinder als Brand- und Friedopfer dargebracht werden, mit deren (Opfer-) blut sowohl der Altar - als Repräsentant Gottes - als auch das Volk1 besprengt wurden (vgl. Ex 24,4-9). Mit dieser Blutbesprengung ist die Bundesgemeinschaft abgeschlossen worden! Gott verpflichtete sich, das Volk zu führen und zu beschützen, das seinerseits Gehorsam und Treue Ihm gegenüber versprach. Allerdings ist dieser Bund auf Geheiß Gottes etwa 40 Jahre später im Lande Moab, kurz vor dem Einzug ins Gelobte Land, erneuert worden. Dabei wird diese Bundeserneuerung ausdrücklich als „Bund“ bezeichnet im Unterschied zum Bund, der vom Volk am Berg Sinai eingegangen wurde (vgl. Dt 28,69). Darüber hinaus heißt es, daß sich Israel auf den Bund mit dem Herrn „und auf den eidlich bekräftigten Vertrag verpflichten (soll), den der Herr, dein Gott, heute mit dir eingeht. So will Er dich heute zu Seinem Volk erheben und dein Gott sein“ (Dt 29,11f.). Noch kurze Zeit zuvor richteten Moses und die levitischen Priester „folgende Worte an ganz Israel: ´Schweige still, Israel, und höre! Heute bist du das Volk des Herrn, deines Gottes, geworden. Gehorche den Befehlen des Herrn, deines Gottes, und halte Seine Gebote und Satzungen, die ich (Moses, im Auftrage des Herrn) dir heute gebe (Dt 27,9f.). 

Sind denn diese „Gebote und Satzungen“ nicht schon beim ersten Bundesschluß dem Volk gegeben worden? Warum spricht der biblische Text, daß sie erst „heute“, also zur Zeit der Bundeserneuerung, gegeben werden? Der Sinai-Bund hatte doch zu dieser Zeit seine Gültigkeit. Zwar ist er von den Israeliten durch die Errichtung des goldenen Kalbes gebrochen worden, aber er ist auch wieder erneuert worden (vgl. Ex 34,10). Zu diesem Zeitpunkt (im Lande Moab) bestand er noch! Und trotzdem heißt es, daß Gott jetzt, 40 Jahre später, einen Bund schließt und nicht den früheren Bund bloß gedanklich erneuert! 

Aber noch etwas anderes wird bei dieser Gelegenheit gesagt. Das Volk wird ermahnt, daran zu denken, daß es selbst „Knecht war in Ägypten, und daß dich der Herr, dein Gott, von dort mit starker Hand und hocherhobenem Arm weggeführt hat“ (Dt 5,15). „Denke daran, daß auch du Knecht warst in Ägypten, und daß der Herr, dein Gott, dich befreit hat“ (Dt 15,15). Das Volk Israel, wie es im Lande Moab ankam, wird mit der Wüstengeneration identifiziert! Dabei sind während der Wüstenwanderung viele umgekommen und viele erst unterwegs geboren worden. Trotzdem wird 40 Jahre später das Volk als ganzes noch als das aus Ägypten ausziehende Volk betrachtet! 

Moses gab den Priestern und den Ältesten Israels den Auftrag, alle 7 Jahre (im Erlaßjahr) am Laubhüttenfest das ganze Gesetz dem Volk vorzulesen (vgl. Dt 31,9ff.). Diese Bundeserneuerung mußten nicht nur jene mitmachen, die sie bisher noch nie erlebt hatten, sondern auch jene, die sie früher zum Teil sogar mehrmals gefeiert hatten. Auch für die letztgenannten Israeliten hat sich bei jeder erneut gefeierten Bundeserneuerung immer der eine und derselbe Sinai-Bund aktualisiert und dieses „heute“ von Dt 5,15; 15,15 vergegenwärtigt! Jede einzelne Bundeserneuerung besaß nach dem Verständnis der Hl. Schrift nicht nur dieselbe Kraft wie der Bundesschluß selbst, sondern sie ist auch derselbe Bundesschluß gewesen, der in der jeweiligen Zeit für die vor dem Herrn Versammelten vergegenwärtigt wurde! 

Diese Beispiele aus der Bibel bezeugen, daß die Worte wie „Gedächtnis“, „Andenken“, „Erinnerung“ im Zusammenhang mit der Liturgie nicht nur das Gedenken im rein gedanklichen Sinn, sondern darüber hinaus auch die Vergegenwärtigung des früheren historischen Ereignisses bedeuten! Und dies war den Israeliten bewußt! Wenn Jesus Christus im Abendmahlssaal vom „Neuen und Ewigen Bund“ spricht und dabei Seinen Jüngern den Auftrag gibt: „Tut dies zu Meinem Andenken“, dann dürfen wir an diese Worte Christi nicht mit dem (verflachten) zeitgenössischen Verständnis des 20. Jahrhunderts herantreten, sondern müssen unbedingt den Hintergrund beachten, auf dem sie gesprochen wurden! Nur wenn wir uns die Mühe auferlegen, diese Worte Christi so zu verstehen, wie Er selbst, wie Seine Zeitgenossen und wie natürlich auch die frühe Kirche sie aufgefaßt haben, können wir die ganze Bedeutung und Tragweite des Auftrages unseres Hohenpriesters („Tut dies...“) erkennen! 

 

Der Neue Bund

Der Alte Bund war unvollkommen und hatte samt seinen „Gaben und Opfern ... nicht die Kraft, den Opfernden im Gewissen vollkommen zu machen“ (Hebr 9,9). Das „Blut von Böcken und Rindern“ vermochte nur „deren äußere (levitische) Reinigung herzustellen“. Nur „das Blut Christi, der sich selbst kraft Seines ewigen Geistes als makelloses Opfer Gott dargebracht hat, (kann) euer Gewissen reinigen, um dem lebendigen Gott zu dienen“ (Hebr 9,12ff.)! 

Nun hat Christus durch Sein Leiden und Sterben diese „ewig gültige Erlösung“ (Hebr 9,12) bewirkt und einen Neuen Bund geschlossen. Um dessen „Gedächtnis“ begehen zu können, stiftete Er eine kultische Handlung, die Er selbst als erster feierte und in der Sein Leiden und Sein Tod (sakramental) vergegenwärtigt werden. Auf diese Weise bekommt jede Generation Zugang zu Seiner Erlösung und zum Neuen Bund! Denn der Herr spricht ja im Zusammenhang der Liturgie ausdrücklich vom „Blut des Neuen Bundes“ (Mt 26,28; Mk 14,24), ja dieser eucharistische Kelch ist sogar der Neue Bund in Seinem Blute (vgl. 1 Kor 11,25; Lk 22,20)! Das bedeutet, daß bei der Zelebration der Heiligen Messe dieser Bundesschluß (am Kreuze) - im biblischen Sinne (!) - erneuert und gefeiert wird. Und zwar jedes Mal! Die Heilige Messe ist nicht eine bloße Zusammensetzung von irgendwelchen Gebeten und Zeremonien, um unsere Andacht oder Frömmigkeit zu steigern. Nein, in ihr vollzieht sich die Erlösung, der rettende Opferakt Christi!

 

Unsere Andacht

Welche innere Haltung wird von uns verlangt! Als Gott am Berge Sinai erschien, da donnerte und blitzte es. „Schweres Gewölk lagerte sich über dem Berg, und mächtiger Posaunenschall ertönte. Das ganze Volk, das im Lager war, erbebte“ (Ex 19,16). Auf diese eindrucksvolle Weise wollte Gott sinnfällig dem Volk Sein Erscheinen kundtun. „Der Berg Sinai war ganz in Rauch gehüllt, weil der Herr in Feuer auf ihn herabgestiegen war. Rauch quoll von ihm auf wie der Rauch eines Schmelzofens. Der ganze Berg erbebte heftig. Der Posaunenschall wurde immer stärker. Moses redete, und Gott antwortete ihm im Donner“ (Ex 19,18f.). Als das Volk das wahrnahm, fürchtete es sich und zitterte. Moses tröstete sie mit Worten: „Habt keine Furcht! Denn Gott ist nur gekommen, um euch auf die Probe zu stellen und die Furcht (Ehrfurcht) vor Ihm in euch wach zu halten, damit ihr nicht sündigt“ (Ex 20,20).

Auch bei der Kreuzigung Jesu „brach eine Finsternis über das ganze Land herein“. „Der Vorhang des Tempels riß von oben bis unten entzwei, die Erde bebte, die Felsen zersprangen“ (Mt 27, 45.51). Durch diese außergewöhnlichen Naturereignisse sollten die Menschen auf das Besondere des Geschehens aufmerksam gemacht werden. Wenn bei unserer Feier des Heiligen Meßopfers ähnliche Erscheinungen ausbleiben, dann sollten wir umso mehr innerlich ergriffen und der besonderen Bedeutung der Liturgie eingedenk sein! 

Anhand dieser Ausführungen können wir außerdem erkennen, welcher katastrophale „Fehler“ dem „Novus Ordo Missae“ unterlaufen ist. Wenn selbst die Worte Jesu Christi nicht mehr in Seinem Sinne verstanden und gedeutet werden, wenn elementare Voraussetzungen (bewußt) mißachtet werden, dann kann diese „Neue Messe“ nicht den Anspruch auf eine katholische und somit gültige und Gott wohlgefällige Liturgie erheben! Da sie letztendlich als ein Versuch angesehen werden muß, den katholischen Gottesdienst zu zerstören und zu ersetzen, hat sie ihren Platz zu räumen für die überlieferte Liturgie der Kirche, die uns den rettenden Bund mit Gott tatsächlich eingehen läßt und Sein göttliches Leben vermittelt!

 

P. Eugen Rissling



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