Sakramentalien

(1. Teil)

1. Einleitung - Was ist ein Sakramentale? 

 Nachdem wir Ihnen, verehrte Leser, in der Vergangenheit in 42 Folgen den Ritus der hl. Messe vorgestellt und inhaltlich-geistlich beleuchtet haben, möchten wir uns nun in ähnlicher Weise den Riten der verschiedenen Segnungen und Weihungen zuwenden, welche die katholische Kirche (zusammengefasst in den beiden liturgischen Büchern Rituale Romanum und Pontificale Romanum) kennt und welche auch wir selbst in unserer kirchlichen Praxis immer wieder erleben. Dies umso mehr, da doch die Gläubigen den Textinhalt dieser verschiedenen Segnungen in der Regel nicht kennen und praktisch in keinem Buch in der jeweiligen Volkssprache zur Kenntnis nehmen können. 

Wir wissen ja, dass Jesus Christus 7 heilige Sakramente eingesetzt hat, wie wir es in der Heiligen Schrift nachlesen können und wie sie die katholische Kirche seit der apostolischen Zeit kennt. Durch sie alle wird uns mittels der Kirche auf jeweils verschiedene Weise die von Ihm am Kreuz erworbene Gnade der Erlösung, die so genannte heiligmachende Gnade, mitgeteilt. Auf diesem Weg erhält dann der Mensch einen konkreten Anteil an der Erlösung, dem neuen und ewigen Leben in Jesus Christus! 

Aber Jesus Christus hat Seine Apostel unter anderem auch ausgesandt, “die Kranken gesund zu machen”. “Er ... gab ihnen Gewalt und Macht über alle bösen Geister sowie zum Heilen von Krankheiten” (vgl. Lk 9,1f). So waren in der Kirche seit frühester Zeit Exorzismen und Segnungen verschiedenster Art verbreitet, zumal solche einzelne Zeremonien auch und gerade bei der Entwicklung bzw. Anreicherung der einzelnen Sakramentsriten selbst entstanden sind. So wurde ja z.B. der Ritus der Taufe neben dem eigentlichen Taufakt, dem Begießen des Täuflings mit Taufwasser und der entsprechenden Taufformel, auch noch mit Handauflegungen, Bekreuzigungen, Teufelsbeschwörungen, Salbungen usw. ergänzt. 

“Der jüdische Ritus für die Mahlzeiten und vor allem für das Paschamahl enthielt zahlreiche ´Benediktionen´ (Lobpreisungen Gottes) ´über´ (für) die Speisen, die Kelche mit Wein sowie Lampen. Jesus hielt diese Bräuche getreu ein: Er sprach den Lobpreis über das Brot, das Er in Seinen Leib, und den Kelch mit Wein, den Er in Sein Blut verwandelte” (Martimort, A.-G., Handbuch der Liturgiewissenschaft. Band II, Herder 1965, S. 185). Und auch wenn diese “Benediktionen” ihrem Ursprung nach Preis- und Dankgebete waren, “hatten die Patriarchen die Überzeugung, dieses Segnen Gottes an die Menschen weiterleiten zu können; daher segneten sie ihre Kinder, indem sie ihnen die Hände auflegten (Gen 48,14). Ebenso segneten die Priester das Volk Gottes (Lev 9,22). ... Auch Jesus segnete die Kinder (Mk 10,16), Seine Apostel (Lk 24,50) und die Kranken” (Martimort, ebd., S. 186). Außerdem segnete Er auch die fünf Brote bei der Brotvermehrung (vgl. Mt 14,19) und trieb bei einer Reihe von Gelegenheiten die Teufel aus den Menschen aus (vgl. Mt 8,16; 8,28.32; 9,32f; 12,22-24.28). 

Was aber Christus tat, das praktizierten auch die Apostel (so z.B. Teufelsaustreibungen: Lk 10,17), zumal im Evangelium ausdrücklich die Rede vom dreimaligen Auftrag Jesu an Petrus, den obersten der Apostel, ist, Seine “Schafe” zu “weiden” (vgl. Joh 21,15-17)! Somit besitzt die Hierarchie der katholischen Kirche auch die Vollmacht von Gott, solche liturgischen Zeremonien und Handlungen neu einzusetzen, die bestehenden für authentisch zu erklären, abzuschaffen oder zu verändern (can. 1145 des CIC von 1917), die selbst zwar keine von Ihm eingesetzten Sakramente sind, aber uns dennoch auf die eine oder andere Weise den Segen Gottes mitteilen. 

Abgeleitet wird diese Vollmacht der Kirche aus den Worten des Apostels Paulus, welcher im Anschluss an die ausführlichen Erläuterungen über die richtige Art der Messfeier hinzufügt: “Das übrige will ich ordnen, wenn ich komme” (1 Kor 11,34). Also hat er über das bereits Erläuterte hinaus noch etwas “angeordnet”, was in der Kirche nicht mehr schriftlich (hl. Schrift), sondern mündlich (kirchliche Tradition) überliefert wurde! Zumal ja Jesus diese betreffende Vollmacht der Kirche auch mit folgenden Worten zu bestätigen scheint, welche Er an die Adresse der Apostel richtet: “Wer euch hört, der hört Mich; wer euch verwirft, der verwirft Mich” (Lk 10,16). 


Diese Zeremonien sind “Sachen oder Handlungen, deren sich die Kirche in einer gewissen Nachahmung der Sakramente zu bedienen pflegt, um durch ihre Fürbitte Wirkungen vor allem geistlicher Art zu erlangen” (can. 1144). Man bezeichnet sie gewöhnlich mit dem Oberbegriff “Sakramentalien”, was so viel bedeutet wie “kleine Sakramente”. 

Ihr Wesensunterschied zu den (sieben) Sakramenten besteht darin, dass sie nicht jene direkte und entscheidend heilbringende Gnade der Erlösung Christi mitteilen, “keine heiligmachende Gnade vermitteln, sondern andere, weniger wertvolle Güter.” Außerdem “bringen sie diese heilsamen Wirkungen nicht ex opere operato (aufgrund des getreuen Vollzugs der betreffenden Spendung selbst - Anm.), sondern ex opere operantis (aufgrund des Glaubens der dabei handelnden und empfangenden Personen - Anm.) hervor. Dagegen gleichen sie den Sakramenten darin, dass auch sie zumeist aus Materie und Form bestehen und zudem im frommen Empfänger eine geistige Wirkung, wenn auch keine unfehlbare, im Gefolge haben” (Pohle, Lehrbuch der Dogmatik. Paderborn 1960, Band III, S. 74). 

“Man unterscheidet zwei Kategorien von Sakramentalien: 1. solche, welche die Kirche bei der Sakramentenspendung anwendet, wie z.B. bei der Taufe die Exorzismen, den Gebrauch des Salzes, die Scheitelsalbung; 2. solche, welche eine mehr selbstständige Bedeutung und sakramentähnliche Materie und Form aufweisen, wie alle Weihungen und Segnungen. Erstere nennt man besser sakramentale ´Zeremonien´, letztere ´Sakramentalien´ im engeren Sinne” (Pohle, ebd., S. 73). Wir werden uns hier im Rahmen dieser Artikelreihe nur mit diesen letzteren “Sakramentalien”, den “´Sakramentalien´ im engeren Sinne” befassen! 

Außerdem kann unterschieden werden zwischen Segnungen bzw. Weihungen bzw. Weihen auf der einen und Konsekrationen auf der anderen Seite. Bei den einen Weihungen (Segnungen) wird Gott im Namen der Kirche angerufen, einer Person oder einer Sache ein bestimmtes geistiges Gut zuzuwenden, ohne dass jedoch diese Person oder Sache dadurch automatisch in den Zustand einer kultischen Verehrungswürdigkeit versetzt wird. So verhält es sich z.B. bei der Segnung eines Kranken, eines Kindes oder eines Hauses. Die andere Art von Weihungen (Weihen) vereinigt mit der betreffenden Anrufung noch die Verleihung einer gewissen, durch den Akt der Segnung unfehlbar eintretenden Aussonderung und Bestimmung zu kultischer Ehrwürdigkeit in sich, wie z.B. bei der Weihe eines Abtes, einer Kirche oder eines Kelches. “Konsekrationen” werden diese letzteren Weihen genannt, wenn sie an sich dem Bischof vorbehalten sind, zumal dieser dann dabei bisweilen auch noch Salbungen mit den hl. Ölen vollzieht. 

Die “Exorzismen” sind teils integrierende Bestandteile der sakramentalen Zeremonien (innerhalb eines Sakramentes), teils selbstständige, im Namen der Kirche vollzogene Beschwörungen des Teufels (z.B. Gebet über einen Besessenen) und teils Beschwörungen von Naturgegenständen, um sie dem Fluch der Sünde und damit der Gewalt Satans zu entziehen (z.B. Weihwasser- und Salzweihe). 

“Die Wirksamkeit der Exorzismen ist nicht als physische (magische) Gewalt über die bösen Geister zu erklären, sondern durch moralische Einflüsse, und zwar 1. durch die Wirksamkeit des Gebetes vor Gott, der auf das Gebet der Kirche hin den bösen Feind bannt; 2. durch die Abneigung des bösen Feindes gegen alles Heilige, die ihn selbst zur Flucht veranlasst; 3. aus einer autoritativen Macht der Kirche, dem von Christus besiegten bösen Feinde seine verderblichen Nachstellungen zu untersagen; denn eine solche Gewalt wird dem Exorzisten bei seiner Weihe übertragen” (Pohle, ebd., S. 76). 


Die Vollmacht zu segnen und zu weihen wird einer Person beim Empfang der jeweiligen Weihe übertragen. In der Regel ist es der Priester, der sakrale Gegenstände wie z.B. Kreuze, Heiligenbilder, Rosenkränze, Kerzen usw. weiht bzw. die Menschen segnet. So salbt ihm der Bischof bei der Priesterweihe die Hände (die inneren Handflächen) mit dem hl. Katechumenenöl, wobei er spricht: “Weihen und heiligen mögest Du, o Herr, diese Hände durch diese Salbung und unsere ✠ Segnung! (Antwort:) Amen. Damit alles, was sie segnen, gesegnet sei, und was sie weihen werden, geweiht und geheiligt sei; im Namen unseres Herrn Jesus Christus. (Antwort:) Amen.” Daher kommt auch die (früher sehr verbreitete) Sitte, dem Priester die Hand zu küssen. 

Wie oben bereits erwähnt wurde, sind einige besondere und herausragende Weihen (wie z.B. die Konsekration einer Kirche, eines Altares oder eines Kelches) dem Bischof vorbehalten, und zwar deshalb, weil er sich im Besitz der vollen priesterlichen Würde des Neuen und Ewigen Bundes befindet. Seine Hände werden bei der Bischofsweihe natürlich noch feierlicher gesalbt. 

Allerdings darf auch schon ein Lektor (2. Niedere Weihe) Brot und neue Früchte segnen, auch wenn die Ausübung dieser Gewalt seit langem außer Übung gekommen ist. Um die Vollmacht mitzuteilen, Exorzismen zu vollziehen, gibt es in der Kirche seit Alters her eine eigene (3.) Niedere Weihe - die Exorzistenweihe. Wobei vermerkt werden muss, dass die Kirche ihre Diener dringend zur höchsten Vorsicht mahnt, wenn es darum geht, den so genannten großen Exorzismus zu beten, bei welchem man ja den Teufel aus den von ihm besessenen Personen austreiben möchte! Diese Art von Exorzismus darf nur mit einer ausdrücklichen Genehmigung des zuständigen Bischofs erfolgen. 

Grundsätzlich aber wollen wir nicht vergessen, dass uns durch die zahlreichen Segnungen und Weihungen, die die katholische Kirche kennt, auf die eine oder andere Weise letztendlich doch der Segen Gottes und Seine Huld mitgeteilt werden! Seien wir Ihm und auch der Kirche dafür dankbar. Dies setzt aber unsererseits auf der einen Seite die Wertschätzung dieser liturgischen Handlungen und auf der anderen Seite eine entsprechende Glaubensgesinnung und eine gesunde Portion Gottvertrauen voraus! 


P. Eugen Rissling

 

 

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